Herr, send' Hirn!

Wie sich die Zeiten ändern - Waren Kosovo-Albaner vor Jahresfrist noch das Synonym für Ausländerkriminalität und in der öffentlichen Meinung die Verantwortlichen für Kick-Box-Terror auf St. Pauli und besonders dreiste Tankstelleneinbrüche in Schleswig-Holstein (man nahm gleich den ganzen Geldtresor mit), sind sie heute unter dem Label "Kosovaren" der Anlaß für R.SH, mit raunender Moderatorenstimme - unterlegt von getragenem Synthesizer-Gewaber (Das Boot?) - zu Spenden aufzurufen. Jan Fedder z.B., der die Ekel-Bullen-Charaktermaske im Vorabendkrimi "Großstadtrevier" ("Große Haie, kleine Fische") nicht mal mimen muß - der Mann ist so -, wurde im Spätherbst '98 von N3-Talkerin Eva Hermann zum St. Pauli-Kiez-Experten auserkoren und entblödetet sich in diesem Zusammenhang nicht, darüber zu schwadronieren, daß der Kosovo (heute sagt man ja das Kosovo) sicher eine schöne Gegend sei, seine Bewohner aber besser dort bleiben sollten, damit endlich wieder die alte Gemütlichkeit im Hamburger Mädchenhandel einkehrt - deutsche Luden sind halt die besseren Luden. Heute führt Fedder höchstwahrscheinlich in irgendeiner Prominentenkampagne, die bestimmt "TV-Lieblinge klagen an" oder so ähnlich heißt, gemeinsam mit Gunther Emmerlich und Heiner Lauterbach das große Wort gegen ethnische Säuberungen - ohne allerdings einen blassen Schimmer davon zu haben, worüber er spricht.

Doch was will man erwarten, wenn selbst Autonome, die ja bekanntermaßen auch den einen oder anderen hellen Kopf in ihren Reihen haben, noch vor einigen Monaten die UCK - mittlerweile ja so etwas wie die 5. Kolonne der NATO - als um Autonomie kämpfende Befreiungsarmee interpretierten.

Mit mehr kreativen Vorschlägen zum elenden Krieg in Ex-Jugoslawien glänzt da der Ex-Wirtschaftsminister Möllemann - informierteren ZeitgenossInnen eher durch seine 28-seitige Grundschullehrer-Examensarbeit "Der Markt am Kölner Dom als Epochalthema im Sachkundeunterricht" oder als Protagonist der die alte BRD erschütternden Einkaufswagen-Chip-Affäre bekannt. Möllemann also schlägt vor, ein Kopfgeld von 500 Mio. DM auf Milosovic auszusetzen; Begründung des alten Marktwirtschaftshasen: Soviel würde schließlich ein Tag Krieg - für wen auch immer - kosten. Immerhin der Deutsche kleckert nicht, er klotzt. Schiitische Fundamentalisten machen für Salman Rushdies Kopf nur knapp ein Fünftel dessen locker.

Vom Krieg zwischen Ethnien bzw. Krieg um territoriale Hegemonie zum Krieg zwischen den Geschlechtern, der nach Ansicht einer Rezipientin auch zwischen den Zeilen dieser Kolumne toben soll: Erstaunlich, so die Leserin, sei, daß HsH zwar vor Zynismus (???) strotze, aber frei sei von Nationalismus und Rassismus (Puh, Glück gehabt!). Frei von Sexismus sei die Kolumne allerdings nicht (Mist, verrissen!). Nun gut, wenn die Erwähnung von offenkundigem Blödsinn, den auch Frauen gelegentlich verzapfen, sexistisch ist, wird heute keine Zeile mehr geschrieben zu den grünen Damen Fröhlich und Winking-Nicolay, die ihre Privatfehde (u.a. ging es um im Streit zerrissene Blusen im Landeshaus) in aller Öffentlichkeit zelebrieren - während das politische Umfallen ihrer Parteikollegin Angelika Beer - einst konsequente Anti-Militaristin - in der Frage des Einsatzes deutscher Soldaten ein doch weitaus relevanterer Aspekt schleswig-holsteinischer Grünen-Politik ist.

(C.S.)