Antifaschismus

PDS-Zeitung bietet Nazi Forum

Man mag es nicht recht glauben, aber es ist wahr. Das "Neue Deutschland", einst Zentralorgan der SED, jetzt unabhängige sozialistische Tageszeitung im Besitz der PDS, meint, eine Debatte unter dem Titel "Wie national muß die Linke sein?" führen zu müssen, und läßt sie auch noch von einem ausgemachten Faschisten eröffnen. Dem ND-Leser wird der Autor, Roland Wehl, als Mitarbeiter von "wir selbst" und "Junge Freiheit" vorgestellt. Jeder Hinweis, daß es sich bei diesen um Zeitungen der Neuen Rechten handelt, fehlt. Ulla Jelpke, PDS-Bundestagsabgordnete aus Nordrheinwestfalen, hat über den Vorfall einen offenen Brief geschrieben, den wir im Nachfolgenden veröffentlichen.

Man muß sich fragen, was Chefredakteur Rainer Oschmann umtrieb, als er den Artikel ins Blatt hievte. Unwissenheit kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Wehl war bereits im Mai '96 bei einer Diskussion im ND-Gebäude an der Spree aufgetaucht. Als Angela Marquardt, Bundessprecherin der AG Junge GenossInnen in der PDS, die auf dem Podium saß, ihren Unwillen erklärte, mit dem Faschisten im Raum zu diskutieren, kam es zum Eklat. ND-Angestellte hielten Junge GenossInnen davon ab, Wehl aus den Saal zu komplimentieren. Die anwesenden Mitglieder der AG und der Kommunistischen Plattform verließen daraufhin unter Protest die Veranstaltung. Ein Jahr später versuchte der rechte Schreiber das gleiche Spiel bei einem PDS-Bundesparteitag in Schwerin, ermutigt nicht nur vom Berliner Vorfall, sondern auch von den Avancen André Bries gegenüber Göttinger Burschenschaftlern. Doch diesmal - zum Glück - wurde er nicht geduldet. Und nun bringt die ND-Chefredaktion Wehl auf die Debatten-Seite (am 31.7.) und läßt ihn die Leser über Volk und Nation und die Westlinke belehren, "für die das 'Volk' immer nur eine reaktionäre Größe" gewesen sei. (Versteht sich von selbst, daß 'Volk' bei Wehl natürlich nur die 'Deutschen' sind und nicht etwa die Bevölkerung.)

Um das ganze etwas abzumildern und weil es schon im Vorfeld in der Redaktion Ärger gab, bemühte sich die Chefetage - als "Kompromiß" - um einen Gegenbeitrag. Angela Marquardt lehnte empört ab, mit Faschisten hätte sie nichts zu diskutieren. Schließlich fand sich Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform bereit.

Die macht die Sache nicht unbedingt besser. Natürlich hält sie Wehl die Verbrechen des Faschismus vor. Er möge ja ein "subjektiv ehrliches Anliegen verfolgen", aber seine Nähe zur "Jungen Freiheit" mache ihn unglaubwürdig. Damit kann er sicherlich leben. Warm ums Herz wird ihm geworden sein, als die KPF-Sprecherin ins Schwärmen von all der Kultur kam, die sie an Deutschland so liebe, und von der die "Ich-bin-Stolz-ein-Deutscher-zu-sein"-Banausen keine Ahnung haben. Und dann wird das Einfallstor für die neurechten Demagogen ganz weit aufgemacht: "Uns steht ein Europa der Konzerne in bisher unbekannten Dimensionen bevor. Mit dem (...) MAI-Vertragsentwurf soll die faktisch schon existierende globale Herrschaft der Monopole und Banken juristisch fixiert werden. Demokratische Strukturen sollen beseitigt werden. Jede Souveränität wird in Frage gestellt, nur nicht die der Multis."

Man muß das zweimal lesen und sich den Kontext vergegenwärtigen. Brombacher schreibt in Antwort auf einen Faschisten über die Nation. Der Leser muß glauben - und vielleicht ist das sogar gemeint -, die Souveränität der "deutschen Nation" (in die die ganze Bevölkerung explizit einzuschließen auch die KPF-Sprecherin nicht so recht schafft) sei in Gefahr durch anonyme transnationale Konzerne. (Ein Leserbriefschreiber wurde später konkreter und sah anglo-amerikanische Konzerne am Werke, die eine "immer brutalere Amerikanisierung" betrieben.) Das sind Vorstellungen, wie sie in weiten Teilen der Linken verbreitet sind - nur daß man da eher von Demokratie- als von nationalem Souveränitätsverlust spricht. Und es sind Vorstellungen, die auch von Nationalrevolutionären wie Wehl problemlos unterschrieben werden können. Und sicherlich auch von der Deutschen Bank, die nämlich auch keine Souveränität abgeben möchte, und dafür sorgt, daß sie bei der Europäischen Zentralbank mehr als einen Fuß in der Tür behält. (Siehe nebenstehenden Kommentar.)

ND-Chef Oschmann, hat da eine Dose der Pandora geöffnet, und es scheint ganz, als ob genau das seine Absicht war; ist er doch schon zu anderen Zeiten durch seine Kommentare aufgefallen, in denen er einer deutschen Intervention in Jugoslawien das Wort redete. Neben einiger z.T. empörten Ablehnung erntet Wehl auch manche Zustimmung. Z.B. von Leuten, die die Sauberkeit und Ordnung der DDR vermissen und finden, daß Sozialismus und Preußentum ganz gut zusammengepaßt haben. Ulla Jelpkes Beitrag wurde am 21.8. veröffentlicht. Allerdings bestand man in Berlin darauf, daß ND-Korrespondent Marcel Braumann, nicht namentlich angegangen wird. Der hatte indes zwischenzeitlich die Debatte genutzt, um davor zu warnen, daß wir uns zu Tode emanzipieren.

(wop)