Aus dem Kieler Rat

Aufgeschoben, nicht aufgehoben

Kürzungen im Kulturbereich zurückgenommen - vorerst

Kultur sei ein "wichtiger Teil urbaner Lebensqualität", wußte Ute Kohrs-Heimann, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion in ihrem die Debatte um den Plan 3 des Haushalts 1999 eröffnenden Beitrag. Zur Erhaltung der Kultur seien dabei zentrale Angebote wie z.B. die städtischen Bühnen ebenso wichtig wie die Stadtteilkultur. Zwar stehe "auch Kulturpolitik unter dem Gesichtspunkt des Sparens und der Haushaltskonsolidierung" und könne sich diesen Anforderungen "nicht dauerhaft verschließen", jedoch dürfe dabei "die Qualität nicht beeinträchtigt werden". Deshalb nimmt der Haushaltsentwurf der SPD-Fraktion die 10%igen Kürzungen des Kämmereientwurfs zurück und sattelt beim Theater "einmalig um 400.000 DM" auf (LinX berichtete).

Die Kulturinstitutionen können also aufatmen. Jedoch nur vorläufig, denn die SPD verbindet ihre Rücknahme von Gansels Kaputtsparplänen mit Bedingungen. Sowohl beim Theater wie bei den soziokulturellen Zentren soll im Rahmen eines zu erstellenden Kulturentwicklungskonzeptes im nächsten Jahr eine Evaluation erfolgen, die, so Kohrs-Heimann, "zu schmerzhaften Einsparungen führen kann". Vorrangig seien überdies "Sicherung und Konsolidierung bestehender Kultureinrichtungen", neue Projekte seien angesichts der Haushaltslage auch längerfristig nicht möglich. Beim Sparen im Kulturbereich ist also aufgeschoben nicht aufgehoben.

Daß auch die Rücknahme der 10%igen Kürzungen (ursprünglich hatte das Kulturamt 100%ige Kürzung vorgeschlagen - LinX berichtete) bei den soziokulturellen Zentren Hansastraße, Hof Akkerboom und Kulturladen Leuchtturm deren angespannte Finanzlage nicht verbessert, machte Kohrs-Heimann mit einem Freudschen Versprecher deutlich: "Wir haben die Soziokultur wieder mit dem Zuschuß, den sie seit Jahren bekommt (bei der Hansastraße hat sich dieser seit 15 Jahren nicht erhöht! - jm), in den Haushalt eingesperrt, äh, eingestellt." Dennoch erhalten die soziokulturellen Zentren durch den Abschluß 3- bis 5jähriger Zuschußverträge, die aber im nächsten Jahr noch von der Ratsversammlung beschlossen werden müssen, mehr Planungssicherheit. Die CDU unterstützte dieses Ansinnen der SPD, wollte jedoch die Hansastraße ausnehmen, sie sei "an sich nicht förderungswürdig", und wollte deren Zuschüsse ganz streichen. Seit Jahren, so Verena Schattke (CDU), bereite die Hansastraße "Kummer", indem sie angeblich "keine Rechenschaft über die Verwendung der städtischen Zuschüsse" gebe. Mit diesem hahnebüchenen Antrag, den die CDU kombiniert mit gleichlautenden Pressemitteilungen der Jungen Union alljährlich wieder stellt, konnte sie sich jedoch nicht durchsetzen.

Durch die Kürzung der kompletten Mittel für die Hansastraße wollte die CDU doppelzüngig Deckung für zwei ihrer Kulturprojekte erreichen, die jährliche (bisher alle zwei Jahre) Vergabe des Kulturpreises der Landeshauptstadt und die Wiederaufnahme der von der SPD weggekürzten Künstlerhilfe, mit der in der Vergangenheit junge, noch unbekannte KünstlerInnen gefördert wurden. Auch mit dieser Strategie, einen Kulturtopf gegen den anderen auszuspielen, konnte sich die CDU nicht durchsetzen, obwohl Schattke vollmundig Kiel als "Kulturhauptstadt Schleswig-Holsteins" beschwor. Ingrid Jöhnk (Grüne) bedauerte, daß die CDU sage: "Kultur ist nur, was wir mögen."

Bei den städtischen Bühnen will die SPD, unterstützt von einem Antrag der CDU, eine "wirtschaftliche Betriebsführung" durchsetzen. Dazu sollen die Bühnen bis März '99 ein Konzept zur Verausgabung der außerordentlichen Mittel von 400.000 DM vorlegen, und der OB soll der Ratsversammlung ein neues strukturelles Konzept für die Bühnen vorlegen, so rechtzeitig, "daß zu den Haushaltsberatungen 2000 eine spürbare Zuschußminderung möglich wird". Nach - noch nur angedeuteten - Plänen der SPD wird dieses Konzept auf die Gründung einer betriebswirtschaftlich arbeitenden "Theater GmbH" hinauslaufen, mithin auf einen kommerziellen Betrieb, der nicht mehr wirklich künstlerisch arbeiten können wird.

Angesichts solchen bloßen Aufschubs des Kaputtsparens von Kultur in Kiel zugunsten der "Kultur" des Kommerzes wird die Kieler Kulturszene, ob städtisch oder soziokulturell, gut daran tun, das kommende Jahr für langfristige und andauernde Proteste sowie die Entwicklung eigener Gegenkonzepte zu nutzen, statt erst wieder dann die Stimme zu erheben, wenn das Kind zu den Haushaltsberatungen 2000 in den sparsamen Brunnen gefallen ist.

(jm)