Öffentliche Daseinsvorsorge:

Privatisierung und kein zurück?

Es scheint als würden alle Kieler Ratsfraktionen gemeinsam eine direkte Anweisung von oberster Führungsebene erhalten: Jetzt alles privatisieren und was übrig bleibt schließen!

Seitdem der Grüne Bürgermeister Todeskino im Amt ist läuft alles nach Plan. Nur mit der Rechtsform der neuen „Anstalten“ gibt es noch Probleme und da helfen, wie immer die Gutachter. So z.B. bei der Stadtentwässerung (wir berichteten in der LinX 18/05 über eine Versammlung von Beschäftigten der Stadtentwässerung und Vertretern aller Parteien). Der neue Hit der Rechtsform lautet: Anstalt öffentlichen Rechts (AöR). Die brauchen anders als GmbHs keine Steuern zahlen, können aber Überschüsse machen und sind vor allem frei von Tarifverträgen. Abkoppelung vom Gesamtbetriebsrat, Entlassungen und erhebliche Lohneinbrüche, weil Betriebsvereinbarungen mit den Beschäftigten getroffen werden müssen, denn es gelten nicht mehr die Tarife des öffentlichen Dienstes. AöRs sollen der Stadt angeblich den größtmöglichen Einfluss auf die Entscheidungen sichern, aber gleichzeitig Investoren „ins Boot holen“. Die Stadt ist hoch verschuldet, weil die Unternehmen immer weniger Steuern zahlen und an Bund und Land immer mehr abgegeben werden muss. Also werden Geldgeber gebraucht. Das Problem: Wer Geld gibt will auch Rendite. Also wird der Gewinn das bestimmende Element, mit den Folgen Entlassungen, Lohnkürzungen, Gebührenerhöhungen und evtl. schlechtere Dienstleistungen.

Da ist es doch auch dienlich, wenn die Stadt gleich alle Bereiche umstellt, nach dem Motto, alles muss sich selbst tragen. Und was sich nicht selbst trägt, also Gewinn erwirtschaftet, wird dann eben „dichtgemacht“.

Im Dezember letzten Jahres waren bereits 30prozentige Kürzungen für alle Bereiche der Öffentlichen Daseinfürsorge und Verwaltung beschlossen worden. Jetzt wird nachgezogen und konsequent alles privatisiert.

In einigen Bereichen, wo es wohl klar ist, dass Investoren zu finden sind, ist auch das Rechtsmodell GmbH mit 100prozentiger Ausgliederung im Gespräch.

• Das betrifft die Bäder, die durch Gebührenerhöhung und Wellness-Profitbereich lukrativ sind.

• Bei der Stadtentwässerung wird ein Investor gesucht, der das marode Kanalsystem mit ca. 75 Mio. Euro renoviert, was dann Auswirkungen auf Gebühren und Belegschaft hat.

• Der Abfallwirtschaftsbetrieb ist immer wieder defizitär, denn er wurde vor Jahren aufgerüstet um ein größeres Abfallvolumen aus Kiel verbrennen zu können. Da die Kieler Bürger mit der Abfallvermeidung besser waren als erwartet wird jetzt z.B. aus Flensburg Müll importiert, um die Gebühren und das Defizit nicht in die Höhe zu treiben.

• Den Kulturbetrieben geht es an den Kragen: Die Umwandlungen der Stadtteilbüchereien sind bereits in Gange, VHS, Stadtbücherei und Museen sind geplant und Tarife wurden schon abgehoben.

• Neu im Gespräch ist das Theater. Auch die Bühnen der Stadt Kiel sollen zu Anstalten öffentlichen Rechts (AöR) werden. Die Beschäftigten sollen dann nach gewerblichen Tarifen bis zu 22% ihres Einkommens verlieren. Im Schleswig-Holsteinischen Landestheater gibt es bereits ein GmbH-Modell mit eigenem Haustarif und Absenkungstarifvertrag für die Beschäftigten. Beim Schauspielhaus ist mit einer Schließung zu rechnen, weil Kultur nun mal meistens eines Zuschusses bedarf. Kulturelle Förderung für den ärmeren Teil der Bevölkerung hat für die Stadt Kiel keinen Sinn.

• Auswirkungen bei Feuerwehr, Nord-Ostsee-Kanal, Schleusen, Berufsfeuerwehr und Beschäftigte beim Bund, Stadtpflege usw. Gerade bei Schichtarbeitsbetrieben sind erhebliche Lohneinbußen durch Ausgliederungen und Haustarifen möglich.

• Besonderen Druck trifft die ArbeiterInnen an den Universitätskliniken, die schon durch Arbeitsverdichtung an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Das Argument der Kostensteigerung für Dienstleistungen wird als Druckmittel für Personalabbau und Lohnsenkungen benutzt. Dazu diente vor allem das angedrohte Ausgliedern von Teilbereichen zu gewerblichen Betriebseinheiten mit Lohneinbußen von 20%. Das Städtische Krankenhaus hat ja bereits eine Rechtsformänderung in Richtung Privatisierung hinter sich, ist aber noch städtischer Betrieb. Aber der Druck durch private Anbieter mit niedrigeren Löhnen und noch schlechteren Arbeitsbedingungen nimmt zu. Bei dem zuletzt von der Stadt geplanten Verkauf hatten ver.di und die Belegschaft mit einem Bürgerbegehren gedroht.

• Die Kieler Berufsschulen sollen das Pilotprojekt für die Öffentlich private Partnerschaft sein, die auch unter dem Namen Public Private Partnerschaft (PPP) bekannt ist. Laut  Bürgermeister Todeskino soll es vorbildlich in Schleswig-Holstein sein. Aus fünf Berufsschulen werden zukünftig drei Berufsschulen mit Gesamtkosten von 52 Mio., die die Stadt Kiel alleine nicht aufbringen kann und setzt deshalb auf private Partner, die Planung, Sanierung und Unterhaltung übernehmen. Allein 120.000 Euro fließen in eine Wirtschaftlichkeitsstudie. Mit dem PPP-Projekt soll angeblich die Qualität der beruflichen Bildung verbessert werden. Wir werden gespannt sein, wann es die ersten Studiengebühren für Berufsschüler geben wird und wie die Unternehmen ihre eigenen Eliteschüler heranziehen werden.

Es bleibt noch einiges zu tun um den Privatisierungswahn zu verhindern. In einigen Betrieben geht es mit gewerkschaftlichem Druck bereits um die Überleitungsverträge. Eine Gegenwehr erscheint schon einigen als aussichtslos. Es gilt einiges zu bedenken:

• Wir müssen nachweisen, dass Private es nicht billiger machen, sondern es nur auf dem Rücken der Bürger und der Beschäftigten schieben und die Versorgung schlechter wird.

• Bereiche der Darseinsvorsorge, die nicht profitabel sind werden fallen gelassen

• Wir müssen nachweisen, dass genug Geld da ist. Forderungen aufstellen, wo das Geld herkommen kann!

• Welche Möglichkeiten der Gegenwehr gibt es? Aufklärung, Bürgerbegehren, Proteste, Streiks.
 
 

(uws)