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Kieler Rathaus:
Ausnahmezustand aufgehoben

Für die Ratsversammlung am 18. September wird es keine persönlichen Eintrittskarten mehr geben. Die Sitzungen sollen von nun an wieder öffentlich sein – wer sie besuchen will, kann sich dazu also auch spontan entscheiden. Vorgesehen sind allerdings  Taschen- kontrollen, auch eine (geringe) Polizeipräsenz im Rathaus ist vorgesehen. Das sind die Informationen, die mir heute, am 13.9., vorliegen. Bei Erscheinen dieser Zeitung werden wir wissen, ob sie sich bestätigt haben.

Nach dem Einzug des NPD-Vertreters Hermann Gutsche in das Kieler Stadtparlament war das Rathaus bei der konstuierenden Sitzung des Rates in einen Ausnahmezustand versetzt worden: 750 Polizisten riegelten das Haus ab (verhinderten aber nicht den Überfall „autonomer Nationalisten“ um den Gewaltverbrecher Peter Borchert auf eine Gruppe junger Antifaschisten ganz in der Nähe des Rathauses), Ämter schlossen vorzeitig, Einlass gab es nur mit Passierschein. Am Wahlabend waren etliche Interessierte am Zutritt zum Rathaus gehindert worden; die Sprecherin des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus, Bettina Jürgensen, erhielt auf Nachfrage die schriftliche Bestätigung, ihr sei der Zutritt verwehrt worden, weil sie als engagierte Antifaschistin bekannt sei.

Auf einen Brief, den der Runde Tisch angesichts dieser Vorfälle an die Ratsfraktionen geschickt hat (abge-
druckt in LinX Nr.16), erhielten wir sehr schnell – mit Datum 16. Juli – eine Antwort der Grünen-Fraktion. Ein Sprecher der SPD-Fraktion erklärte auf einer Sitzung des Runden Tisches im Juli, seine Fraktion hätte zur Beantwortung noch keine Zeit gefunden, außerdem hätte er sich widersprechende Informationen erhalten und von manchen der in unserem Brief angesprochenen Punkte noch gar keine Kenntnis. Auch die Partei „Die Linke“ sah sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einer schriftlichen Antwort in der Lage. Verwundert es nun, dass beide Parteien bis heute nicht geantwortet haben?

In dem von Lutz Oschmann verfassten Schreiben der Grünen-Fraktion heißt es unter anderem: „Ich teile Eure Kritik an dem Verhalten der Ratsversammlung während der Vereidigung des NPDlers. Wir hätten uns ein gemeinsames geschlossenes Vorgehen gewünscht ...“ Der Ältestenrat habe allerdings auf Oschmanns Initiative hin mit Zustimmung aller Fraktionen eine Strategie gegenüber möglichen Aktivitäten des Herrn Gutsche beschlossen: „… wir (werden) im Falle von Anträgen der NPD nur eine Gegenrede halten und danach abstimmen lassen. Wir werden also nicht zulassen, dass es lange unsägliche Debatten zu NPD-Themen geben wird und die NPD hier ein Forum für ihre Positionen erhält.“ Weitergehende Verabredungen seien nicht möglich, denn: „Die demokratischen Rechte gelten auch für diejenigen, die sie abschaffen wollen.“

„Viel stärker als bisher“ solle in Kiel der „gesellschaftliche Streit“ mit Rechtsradikalen und Neonazis gesucht werden.  „Rechts- extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, denen wir uns stellen wollen. Zukunftsweisend sind dabei Projekte, in denen insbesondere junge Menschen für ein friedliches Miteinander begeistert werden können und als BotschafterInnen der Landeshauptstadt Kiel Flagge für eine tolerante, weltoffene und friedliche Stadt wirken können.“ Fanprojekte im Fußball und weiter Aktionen im Sportbereich werden als Beispiele genannt. „Bezüglich der von euch angesprochenen Strafanzeige (gegen Bettina wegen ihrer antifaschistischen Äußerungen während der Sitzung des Kreiswahlausschusses – D.L.) haben wir den zuständigen Dezernenten aufgefordert, diese zurückzunehmen. Für die Eintrittskartenregelung, die zunächst „einigen Sinn“ in Erwartung möglicher Nazi-Aktionen gemacht habe, sei ab September kein Bedarf mehr.

Der Brief wurde vollständig auf der Juli-Sitzung des Runden Tisches verlesen, wir haben uns für die schnelle Antwort bedankt und sehen darin etliche gute Ansätze für antifaschistisches Handeln in der Ratsversammlung. Es gibt mit den Grünen wie mit den anderen Parteien sicher noch eine Menge zu diskutieren; wir hoffen, dass das nun auch öfter direkt am Runden Tisch möglich sein wird – ebenso, wie wir auch dort gern mit VertreterInnen der SPD und der Partei „Die Linke“ über ein kontinuierliches Vorgehen gegen Faschismus und Rassismus sprechen. Auf der Grundlage unserer „Kieler Erklärung“ wird der Runde Tisch auch in Zukunft arbeiten, sie ist ein solides, bewährtes und zukunftsträchtiges Angebot für antifaschistische Bündnisarbeit.

(D.L.)