KERNspalte

Stichwort des Monats: Betriebswirtschaftlich! Gemacht wird, was sich betriebswirtschaftlich rechnet, das belegt der Atomkonsens. Ob das aber so lange dauern muss, wie der das vorsieht? Die Schweden haben den Block 2 in Barsebäck nun schon seit vielen Wochen abgeschaltet, weil sich sein Betrieb durch das Überangebot (überwiegend aus Wasserkraft) nicht rechnet. Der Block 1 ist ja schon seit 1999 stillgelegt. Nun hat die Sydkraft das AKW dem staatlichen Konzern Vattenfall, Betreiber des AKW Ringhals, zum Kauf angeboten. Falls der das Angebot annimmt, wäre die deutsche Mehrheitsbeteiligung an dem unwirtschaftlichen AKW Barsebäck dahin.

Ebenfalls betriebswirtschaftlich ungünstig steht Japans Atomindustrie da: Erstmals seit 1981 schreibt sie rote Zahlen. Die Verluste entstanden, weil mehrere Meiler wegen Defekten lange Auszeiten nahmen. Bei einem Unternehmen sank die Stromproduktion um 70%.

Volkswirtschaftlich sinnvoll genutzt werden dagegen Kriegsgeräte in Kamtschatka: Wegen der häufigen Stromausfälle ist die russische Marine dazu übergegangen, den elektrischen Strom für die Standorte ihrer strategischen Atomraketen mit den eigenen U-Boot-Reaktoren zu erzeugen. Fällt das jetzt unter "Schwerter zu Pflugscharen" respektive Rüstungskonversion? Auf jeden Fall sinkt die Lebenserwartung der Atom-U-Boote dadurch beträchtlich - es handelt sich also um Abrüstung!

Keine Abrüstung, kein Verstoß gegen den Atomteststopp von 1996 und gegen den Nichtweiterverbreitungsvertrag (vgl. LinX 11/00) soll angeblich eine Testserie sein, die Russland Ende des Jahres auf Nowaja Semlja unternehmen will. Ziel der Experimente sei es, Sicherheit und Einsatzfähigkeit der Waffen zu überprüfen, meldete die Agentur Interfax. Wozu, wenn doch vollständige atomare Abrüstung vereinbart wurde? Papier ist ja so geduldig.

Im Atomkraftwerk Biblis B sind bei der derzeit laufenden Generalüberholung acht defekte Brennelemente entdeckt worden. Defekt ist ein Brennelement, wenn mindestens einer seiner 236 Brennstäbe undicht ist. Das hessische Umweltministerium erklärte, eine Gefahr für Personal, Umwelt oder das Kraftwerk habe nicht bestanden. Wie ja überhaupt von Kernspaltung und den 139 meldepflichtigen Vorfällen im letzten Jahr keine Gefahr ausgeht. Daher auch die langen Laufzeiten, wie die Grünen endlich eingesehen haben, siehe Atomkonsens.

Uneinsichtig, nach wie vor, das Wendland: Am 3. Juni feierten AKW-GegnerInnen den 20. Jahrestag der "Republik Freies Wendland". 1980 wurde die Tiefbohrstelle 1004 im Trebeler Wald besetzt und mit zahlreichen fantasievollen Gebäuden bestückt. 33 Tage versuchten (im Wechsel) ein paar Tausend Leute, eine Gesellschaft außerhalb der bürgerlichen aufzubauen und dabei möglichst selten abzuwaschen. Die BI Lüchow-Dannenberg erinnerte an glorreiche Träume und die Niederungen der aktuellen Castor-Politik mit Filmen, Diskussionen und Happenings auf der Esso-Wiese in Dannenberg.

Auch in Tschechien regt sich noch was. Einige hundert protestierten in Prag gegen die Fertigstellung des AKW Temelin (sowjetische Bauart) mit EU-Geldern, hatten dafür 80.000 Unterschriften gesammelt und forderten eine Volksabstimmung.

Nur 15 Demonstranten kamen indes bei der Anlieferung zweier weiterer Excellox-6-Behälters am AKW Neckarwestheim zusammen. Dort stehen jetzt insgesamt 3 leere Excellox-Behälter für den Transport abgebrannter Brennelemente in die Skandal-WAA Sellafield bereit sowie 6 beladene GKN-Castor-Behälter für den (bereits genehmigten) Transport nach Ahaus. Die Excellox-Behälter dürfen erst beladen werden, wenn das Bundesamt für Materialprüfung die Sicherheitsunterlagen aus England anerkennt.

Der letzte Tschernobyl-Reaktor soll nun doch auf Beschluss des ukrainischen Parlaments zum 15.12. diesen Jahres stillgelegt werden - während gleichzeitig ein Ermittlungsverfahren gegen die Kiewer Atombehörde wegen Steuerhinterziehung läuft. 5 Monate zu spät, befindet Greenpeace.

5 Jahre sind es beim litauischen Flickwerkreaktor Ignalina. Bundeskanzler Schröder begrüßte den geplanten Weiterbetrieb bis 2005 am Rande des GAU als "Stilllegung" und kündigte 50 Mio. Euro Unterstützung an. Nach seinen Ausstiegsmaßstäben hat der Mann natürlich recht.

Grünes Licht gab es für zwei Mega-Fusionen von der EU-Kommission: VEBA + VIAG zum neuen Superkonzern E.ON, und RWE + VEW, unter Auflagen. Die Atomkonzerne müssen bestimmte Beteiligungen aufgeben und das Stromnetz an der dänischen Grenze zugänglich machen. Das heizte die Aktienkurse dieser Unternehmen erstmal an, während Siemens/KWU gleichzeitig über zu erwartende Umsatzeinbußen durch den Atomkonsens klagte.

Der alte Forschungsreaktor Garching wird am 28.7. abgeschaltet, und der neue FRM-2 ist noch nicht betriebsbereit. Dies sei ein Verlust ausgerechnet für die Medizin, die ein halbes Jahr lang keine Experimente dort durchführen könne, beklagte Sprecher Gert von Hassel. Die brauche man für Fortschritte in der Krebstherapie (einige Krebsarten werden ja z.B. durch Strahlung aus Atomanlagen, etwa Krümmel, verursacht).

Bestrahlen lassen kann man sich aber auch auf der Fahrt über deutsche Autobahnen: Der Beton und Stahl aus dem im Abriss befindlichen AKW Würgassen wird zu 80% zerkleinert im Straßenbau wiederverwendet, teilte die PreussenElektra mit. Nur 2% der Abrissmasse müssten als hochradioaktiver Atommüll entsorgt werden. Der Abriss werde insgesamt 12 Jahre dauern und über 1 Mrd. DM kosten, trotz der billigen Entsorgung. Na dann, gute Fahrt!

(BG)