Aus dem Kieler Rat

Stadtwerkeverkauf:

"Hecht im Karpfenteich"

Am Ende waren sich alle einig - auch die Grünen. Ein interfraktioneller Antrag, mit dem britischen Interessenten TXU Europe exklusive Verhandlungen über den Verkauf von 51% der Anteile an den Stadtwerken zu führen, wurde in der Ratsversammlung vom 8.6. einstimmig beschlossen. In dem Antrag wird der OB ermächtigt, einen endgültigen Vertrag mit TXU auszuhandeln. Die Ratsversammlung soll dem in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause (13.7.) zustimmen.

In der Kieler SPD hatte es vor dem einstimmigen Beschluss durchaus noch Widerstand gegeben. Der Kreisparteitag der SPD am 7.6. hatte dennoch mit großer Mehrheit für den Verkauf eines Mehrheitsanteils gestimmt und einen auch vom Betriebsratvorsitzenden der Stadtwerke, Günter Mischke, unterstützten Alternativantrag der "Arbeitsgruppe 60plus", nur eine qualifizierte Minderheit von 25,1% zu verkaufen, abgelehnt. Der Kreisvorsitzende Rolf Fischer hatte in der Debatte die Partei ferner darauf eingeschworen, nicht in die Verhandlungen mit TXU einzugreifen. "Wir sind nicht Vertragspartner und das ist gut so", plädierte Fischer. OB Norbert Gansel konnte die Zweifler mit einem Bonbon ködern. TXU sei bereit, sich zu sozialen Leistungen zu verpflichten, die die Stadt selbst möglicherweise nicht mehr zahlen könne. Gerade Sozialdemokraten müssten diese Chance nutzen. Ratsherr Hans-Werner Tovar, der sich in der Verkaufsdiskussion der letzten Wochen mehrfach kritisch geäußert hatte, gab seinen Widerstand schließlich auch auf. Der Einfluss der Kommunen auf den Energiemarkt tendiere ohnehin "gegen Null". "Wir werden die Liberalisierung nicht aufhalten, ob wir dem Verkauf eines Mehrheitsanteils nun zustimmen oder nicht."

Ähnlich defätistisch äußerte sich in der Ratsversammlung die grüne Ratsfrau Ingrid Jöhnk, um zu "begründen", dass die Grünen nun auch einen Mehrheitsverkauf mittragen: "Es macht wenig Sinn, sich in die Ecke zu setzen und zu sagen, wir sind dagegen. Die TXU machte das beste umweltpolitische Angebot." Das texanische Mutterunternehmen der TXU Europe betreibe in den USA schließlich "nur ein einziges Atomkraftwerk".

In der kurzen Debatte im Rat wurden nach dem Blankoscheck des SPD-Kreisparteitages und dem endgültigen Umfallen der Grünen dann auch nur noch selbstzufriedene Fensterreden gehalten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske lobte den "konstruktiven Stil, dass es einen Antrag aller Fraktionen gibt". Kiel betrete mit dem "strategischen Partner TXU Neuland". Es sei "einmalig, dass sich eine deutsche Stadt mit einem englisch-amerikanischen Unternehmen verbindet". Dies biete auch eine Chance für die Stadtwerke, "weit über Schleswig-Holstein zu wachsen. Damit sind die Arbeitsplätze bei den Stadtwerken auf Dauer gesichert."

Der CDU-Fraktionschef Arne Wulff wollte "nicht verhehlen, dass der Mehrheitsverkauf deswegen wichtig ist, weil er erheblich mehr Geld in die Kasse spült" als der Verkauf von nur 25,1%. Man wolle dem Partner die strategische Mehrheit geben, "sonst macht das Ganze keinen Sinn." Überdies wolle man mit den Stadtwerken nun "Hecht im Karpfenteich sein und offensiv neue Marktchancen nutzen". Das sei "zum Wohl der Kunden". In seiner unnachahmlichen Weise unterstützte dies Wolfgang Kottek von der SUK: "Seit 1968, seit da denke ich politisch, ist das die wichtigste Entscheidung. Die Stadtwerke sind nun ein Sprungbrett für Deutschland, für Europa, für die ganze Welt."

Auch OB Norbert Gansel machte die Ratsversammlung rhetorisch scharf für den Kampf auf dem Markt. Falls die Schleswag, die nun aus dem Rennen sei, "jetzt ein Konkurrenzbetrieb wird", werde man "diese Konkurrenz nicht scheuen", drohte Gansel dem Rendsburger Unternehmen, denn die Zeichen stünden nunmehr für die Stadtwerke "nicht auf Schrumpfung, sondern auf Expansion". Im übrigen, so konnte Gansel vermelden, werde TXU 5 Mio. DM für den Multimediacampus spenden, falls dieser in Kiel angesiedelt werde.

Trotz ihrer Zustimmung zum Verkauf deckten die Grünen anschließend einen Sachverhalt auf, der den Verhandlern offenbar entgangen war. Mit Beteiligungen u.a. der ISION AG (Investor an der Hörn) betreiben die Stadtwerke auf dem Ostufer ein Glasfasernetz, das, so der grüne Ratsherr Rainer Pasternak, an der Börse mit einem Nennwert von 600 Mio. Schweizer Franken zwar überbewertet, aber dennoch einen dreistelligen Millionenbetrag wert sei. Dennoch zog Pasternak einen Antrag der Grünen, das Glasfasernetz aus dem Verkauf auszunehmen, entnervt zurück, da keine Mehrheit dafür erkennbar war. Und Norbert Gansel tröstete: "Kein Anlass zur Dramatisierung, wir bleiben ja zu 49% Eigner der Stadtwerke."

Eine Abfuhr erhielt auch ein weiterer Antrag der Grünen, nach dem der Erlös des Stadtwerkeverkaufs zur Abdeckung des ÖPNV-Defizits für die nächsten 10-15 Jahre, Schuldentilgung der Landeshauptstadt und eine nachhaltige Sanierung aller städtischer Kindergarten-, Jugend-, Schul- und Sporteinrichtungen verwendet werden sollte. Der Rat überwies den Antrag in den Finanzausschuss. Das Fell dürfe nicht verteilt werden, wenn das Wild noch nicht geschlachtet sei.

(jm)

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