Kommentar

Spitze des Eisbergs

Nun sind die Kieler Stadtwerke also verkauft. Noch nicht ganz, o.k. Aber dass der Rat am 13.7. dem endgültigen Vertrag mit dem britischen Global Player TXU über den Verkauf von 51% der Stadtwerke zustimmen wird, steht außer Frage.

Bestürzend ist, wie wenig Widerstand sich gegen den Verkauf regte, bei dem es sich - in dem Punkt kann man den Demagogen im Rat nur zustimmen - um eine kommunalpolitische Schlüsselentscheidung handelt. Unruhe von "Störern", wie OB Norbert Gansel die Zweifler gerne pauschal nennt, gab es nie über den Verkauf an sich, sondern lediglich über den Modus der Verkausfverhandlungen. Schwer wiegt auch, dass die Gewerkschaften, abgesehen von einiger Rhetorik bei einem Hearing mit den Fraktionsvorsitzenden am 17.5. und beim 1. Mai (LinX berichtete), wie das Kaninchen auf die Schlange des drohenden Arbeitsplatzabbaus starrten und die Dimensionen ökologische Stromerzeugung und Privatisierung als allgemeinen verheerenden Trend weitgehend ausblendeten. Wieder einmal haben sich Lohnabhängige mit ihren Ausbeutern und Abwicklern ins vermeintlich selbe Boot gesetzt. Dass die damit verbundenen Hoffnungen enttäuscht werden, scheint so gut wie sicher. Zwar verspricht man uns allenthalben, die Privatisierung sichere Arbeitsplätze, doch das Gegenteil dürfte der Fall sein: Bisher mussten noch überall die Beschäftigten für die Renditeerwartungen der neuen Eigentümer mit massiven Entlassungen zahlen.

Dass die Grünen, einstige dezidierte Gegner des Verkaufs, so sang- und klanglos das Handtuch warfen, sich nicht einmal bei der Entscheidung für den Verkauf enthielten, ist eigentlich ein Skandal. Andererseits: Wer von den Umfallern beim "Atomkonsens" noch irgendeinen Widerstand gegen die neoliberale große Koalition, zu der sie selber gehören, erwartet, ist vielleicht auch eher blauäugig.

Und noch ein Aspekt könnte schon bald zeigen, dass die Privatisierung der Stadtwerke nur die Spitze des Eisbergs ist: Alles spricht vom Strom, aber zu den Stadtwerken gehört auch die Wasserversorgung. Und die dürfte das nächste Feld im großen Monopoli-Spiel sein. Im Berliner SPD-Wirtschaftsministerium bastelt man derzeit an Gesetzen zur Liberalisierung des Wassermarktes. Mit Durchleitungspflicht und allen Schikanen, die den Kielern mittelfristig den "Genuss" gechlorten Trinkwassers bescheren dürften. Gleichzeitig drängen die neuen Energieriesen E.ON (Veba/Viag) und RWE/VEW auf den Wassermarkt und beginnen, städtische Wasserwerke aufzukaufen. Bei beiden gibt es Pläne, sich bei den beiden französischen Weltmarktführern dieses Sektors, Vivendi und SuezLyonnaise des Eaux, einzukaufen. Da sollte es nicht verwundern, wenn der neue Stadtwerkebesitzer schon bald die Wasserwerke ausgliedert, um sie an den Meistbietenden weiter zu verhökern.

(jm/wop)