Aus dem Kieler Rat

Das nächste Opfer

Kieler Abfallwirtschaftsbetrieb soll privatisiert werden

Es war zu erwarten. Nach dem Verkauf von KWG und Stadtwerken lassen die Neoliberalen in der Stadtverwaltung nicht locker, auch nicht im Sommerloch. Ein Gutachten, das der Rat im September letzten Jahres bei der ATUS GmbH in Auftrag gegeben hat, um den kommunalen Abfallwirtschaftsbetrieb (ABK) "wettbewerbsfähig zu machen", empfiehlt - wie sollte es anders sein - Teilprivatisierung. Noch ist der ABK ein Eigenbetrieb der Stadt und besorgt neben der Abfallentsorgung auch Straßenreinigung, die Beschaffung und Wartung des städtischen Fuhrparks sowie den Betrieb öffentlicher Toiletten.

Das Gutachten lässt am ABK kaum ein gutes Haar, was die "Wettbewerbsfähigkeit" betrifft. Im gegenwärtigen Zustand würde der ABK keine Ausschreibung gewinnen. Die Betriebsführung weise erhebliche Mängel auf, es gebe weder eine Effektivitäts- und Kostenrechnung, noch "operatives Controlling", somit würden "Potenziale für die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit" nicht genutzt. Eine Teilprivatisierung würde dagegen zu Einsparungen führen, die erhebliche Gebührensenkungen (allein im Bereich Abfallsammlung und Gehwegreinigung um 33%) nach sich ziehen könnten, so das Gutachten. Denn anders als private Entsorgungsunternehmen hätten kommunale die Möglichkeit, Kostensteigerungen durch Gebührenerhöhungen unbeschränkt an die Verbraucher weiterzugeben, was "keine sehr wirksame Veranlassung für Einsparungen" darstelle. Hier helfe nur der Wettbewerb, in dem sich der ABK mit privaten Firmen messen müsse. Das Gutachten schlägt den Verkauf von 49% des ABK an einen privaten Investor vor. So verringere sich zwar die Einflussmöglichkeit der Stadt, sie behalte aber die "hauptsächliche Steuerung".

Das sieht Hella Dahlheimer, Vorsitzende des ABK-Personalrats, anders: "Wir brauchen keine Privatisierung", denn seit vier Jahren seien die Gebühren stabil. Die Unternehmensführung des ABK ließ verlauten, dass eine Entlastung der Gebührenzahler im Falle einer Privatisierung "nicht zu erwarten" sei. Zu erwarten seien vielmehr: "Leistungsverschlechterung und schlechtere Arbeitsbedingungen für die (rund 370 - Red.) Mitarbeiter", so ein Brief an die Stadt-Verwaltung. Auch aus den beteiligten Ämtern der Verwaltung wird der Wert einer Teilprivatisierung bezweifelt, namentlich vom Umweltdezernenten Erich Schirmer. Nicht ausreichend sei geprüft worden, ob die Stadt die Abfallentsorgung nicht kostengünstiger selbst erledigen kann, welche Prüfung nach einem Urteil des Schleswiger Verwaltungsgerichts ("Stormarn-Urteil") zwingend erforderlich sei. Ferner entstünden bei einer Privatisierung Mehrkosten durch Steuern und aus dem Unternehmen abgeführte Gewinne.

Wirtschaftsdezernent Heinz Rethage hingegen sah sich durch das Gutachten zur Feststellung eines "deutlichen Handlungsbedarfs" veranlasst. Die "kaufmännischen und unternehmerischen Rahmenbedingungen" müssten "verbessert werden", wobei der ABK von einem privaten Investor "profitieren" werde. Umweltdezernent Erich Schirmer machte in diesen Äußerungen Rethages "Differenzen" zu seiner Auffassung aus, dass "keine große Eilbedürftigkeit" bestehe. Deshalb sei "die Sache jetzt beim OB". Der äußerte sich dahin gehend, dass zunächst weitere Rationalisierungsreserven des ABK ausgelotet werden müssten. Die Privatisierung sei insofern "kein Dogma", es gehe vielmehr einfach um die kostengünstigste Lösung. Im übrigen meinte Gansel mit Blick auf den Zwist unter seinen Dezernenten kategorisch: "Die Meinung der Verwaltung bestimmt der OB." Offen ist noch, ob die Verwaltung, wie Rethage es beabsichtigt, bereits für die September-Ratsversammlung einen Bericht vorlegt.

Der ÖTV-Gewerkschafter Frank Hornschu lehnte die Privatisierung des ABK in scharfen Worten ab. Das Gutachten stütze sich "durchgängig auf Spekulationen". Rethage verfolge mit seinen Plänen "das ausschließliche Ziel", die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verschlechtern. Rethage handele offenbar "nicht Gemeinwohl-orientiert", vielmehr stünden "ausschließlich egoistische Interessen von Herrn Rethage im Vordergrund". OB Gansel solle in der Verwaltung für "mehr Objektivität" sorgen.

Scharf ging auch der grüne Fraktionschef Lutz Oschmann mit dem Sommerloch-Streit ins Gericht. Es sei ein "unmögliches Verfahren", dass Rethage und Schirmer öffentlich stritten, bevor der Rat Stellung genommen habe bzw. das Gutachten überhaupt kenne. Wenn es Einsparpotenziale gebe, so müssten die "umgehend erschlossen" werden. Ob dazu eine Teilprivatisierung das geeignete Mittel sei, sei erst die zweite Frage.

(jm)

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