KERNspalte

Es ist nicht immer erfreulich, recht zu behalten. Vor 2 Monaten schrieb ich an dieser Stelle, die Russen hätten gar keine Verwendung für MOX-Brennelemente aus dem Hanauer Plutoniumwerk, das sie von Siemens kaufen wollen, sondern sie wollten es wohl an deutsche AKWs exportieren. Inzwischen hat die Bundesregierung inklusive J. Fischer ihr O.K. zu dem Exportgeschäft gegeben (von weiterer Subventionierung nahm man bisher Abstand), aber trotzdem kam der Deal bisher nicht in trockene Tücher. Den Russen reicht es nicht, die Anlage kaufen zu können, sie verlangen jetzt eine Zusicherung, dass Deutschland die dort produzierten MOX-Brennelemente z.B. ab 2007 für die eigenen Reaktoren - wie Brokdorf, Lingen etc. - importiert und damit die Anlage nachträglich finanziert. Daran werden die Olivgrünen sich auch nicht mehr lange aufreiben.

In Fischers Wahlverein gibt es aber immer noch unermüdliche Kleingeister, die trotzig an dem Versuch weiterarbeiten wollen, das Klientel der AKW-Gegner ins gesamtdeutsche Boot der AKW-Betreiber zu integrieren, ohne irgendwelche Zugeständnisse in der Sache zu machen. Mit der Gründung einer "Atompolitischen Opposition bei den Grünen" setzen sie sich nicht nur der Gefahr aus, sich lächerlich zu machen, sondern bieten allen latent Denkfaulen die Illusion, die Anti-AKW-Bewegung stünde mit einem halben Fuß in der Regierung. Zitat: "Wir wollen mit dieser Initiative die reale Atompolitik der rot-grünen Bundesregierung nicht beschönigen. Aber wir brauchen eine starke Anti-AKW-Bewegung, um trotz des Atom-Konsenses dem Ziel eines schnelleren Ausstieges aus der Atomenergie näher zu kommen und dafür bieten wir uns den Anti-AKW-Initiativen und engagierten Umweltverbänden als BündnisparterInnen an." Die Komma-Fehler sind nicht von mir, aber symptomatisch. "Weiterbetrieb des Gehirns statt der vereinbarten Abschaltung desselben!", das wäre mal ein radikaler Anachronismus, der aber doch eher von der Dokumenta in Kassel als von den "Fachpolitikern" (Selbsteinschätzung) in Berlin zu erwarten wäre. Offenbar ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit wollen sich die InitiatorInnen dieser wahren Opposition auch an der Demo am 23.9. im Wendland (Treffpunkt: 12 Uhr, Gedelitz, vgl. Aufruf in dieser LinX) gegen den Atom-Nonsens beteiligen. Besondere Kennzeichen: Extreme Volksnähe, Bündnistreue und ein Gesicht wie ein Romika-Schuh.

Niedersachsens Umweltminister Bartling prüft z.Z., warum seine Idee, die Castoren auf dem Wasserweg (Elbe) nach Gorleben zu verfrachten, bereits vor Jahren verworfen wurde, als sie jemand anders hatte. War es das Schicksal der "Kursk"? Nein, die war damals noch gar nicht gesunken! Auf jeden Fall ist gut an der Nevergreen-Idee, dass ein Teil der Transportstrecke über Hamburger und Schleswig-Holsteiner Fahrwasser führt, wodurch diese Länder den Polizeieinsatz zwangsläufig mitzufinanzieren hätten, der ja sowieso viel billiger wäre, weil es ja viel weniger Wasserschutzpolizisten als Landbullen gibt.

Was dort noch dauern kann, ist in Baden-Württemberg schon bald geplant: Ein Castor-Transport! Und zwar von Philippsburg zur WAA La Hague im Oktober 2000. Der notwendige Transportbehälter TN 13 wurde vom Bundesamt für Strahlenschutz verkehrsrechtlich wieder zugelassen, und Philippsburg kriegt die Beladung der Castor-V-Behälter für die Interimslagerung auf dem Werksgelände einfach nicht mit der notwendigen Dichtigkeit hin. Ein Transportbehälter muss aber nicht so dicht sein wie ein Lagerbehälter, weil er ja bald wieder entladen wird, und da bot sich der Abtransport einfach an. Ob das was wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht ganz fest.

Ebenfalls noch in der Schwebe ist ein Transport von Neckarwestheim nach Ahaus Anfang November. Der BGS bereitet sich angeblich auf einen Großeinsatz in der 45. Kalenderwoche vor. Es wird wohl höchstens eines von beiden realisiert werden. Wenn, dann steht es in der nächsten LinX!

Am 3.9. haben 2.000 Umweltschützer aus mehreren Ländern die tschechisch-österreichische Grenze an drei Punkten blockiert, um gegen die Inbetriebnahme des Temelin-Reaktors zu protestieren, darunter auch viele österreichische Bauern mit Traktoren. Österreichs Regierungschef Wolfgang Schüssel, gegenüber Faschisten ja recht tolerant, will nun nicht hinnehmen, dass Tschechien der EU beitritt, ohne den Sicherheitsstandard von Temelin zu verändern. Offenbar gehört es zur Strategie der politischen Isolation Österreichs, dass deutsche Parlamentarier diese Forderung nicht unterstützen können, wie sie beim Besuch des tschechischen EXPO-Pavillons in Hannover zu erkennen gaben. Nachdem im Probebetrieb neben weiteren Pannen auch ein Kühlwasserleck im Primärkreislauf des Reaktors auftrat (4.9.), durchbrach FPÖ-Freund Stoiber (CSU) die Isolation Schüssels, indem er ihn nicht nur besuchte, sondern auch einstimmte, nach westlichen Standards sollte dieses AKW (Temelin) nicht in Betrieb gehen. Auch die "Atompolitische Opposition bei den Grünen" (s.o.) wollte sich bei der FPÖ Freunde machen, wurde aber nicht gehört. Der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman tönte hingegen, "Taten sprechen lauter als Worte", wobei er den Sinn dieses Spruchs in sein Gegenteil verkehrte, weil er unter "Taten" das Ans-Netz-Gehen des Reaktors verstand, mit dem er auf das Gezeter Schüssels antworten werde. Hätte auch gut in die Rubrik "Herr, send' Hirn!" gepasst. Bleibt aber die KERNspalte. Weshalb sich am 7.9. die EU-Parlamentarier entschlossen, ihre anti-österreichischen Ressentiments aufzugeben und dem Schüsselschen Antrag zu folgen, worauf sich am 8.9. erneut tausende AKW-Gegner einmischten und diesmal 6 Grenzübergänge nach Österreich blockierten. Die Internationale Atomenergie-Agentur mit Sitz in Wien schätzte Temelin zeitgleich als "strukturell sicher und betriebsbereit" ein. Welche Position unter den gegebenen Umständen als "links" einzustufen ist, war bei Redaktionsschluss noch offen.

Am gleichen Tag, als das EU-Parlament die Inbetriebnahme von Temelin kritisierte, gewährte die EU-Kommission übrigens einen lange erwarteten Millionenkredit für die Fertigstellung der ukrainischen Reaktoren K2R4, die den still zu legenden Tschernobyl-Reaktor ersetzen sollen. Die EU ist nicht generell gegen unsichere Atomreaktoren, sondern nur dagegen, dass sie innerhalb der EU havarieren.

Einen Brennstoffkreislauf der besonderen Art haben ein Spezialunternehmen aus Belgien und das hessische AKW Biblis vorgeführt: Das belgische Unternehmen lieferte einen Container Werkzeuge und Geräte für die derzeitige Revision nach Biblis, die bei der Eingangskontrolle als radioaktiv verseucht eingestuft wurden. Eigentlich war das Material also hier an der richtigen Adresse, aber das hessische Umweltministerium bestand darauf, dass radioaktive Isotope aus dem Reaktor wohl ab und zu heraus-, aber nie hineintransportiert werden dürfen. Die Geräte wurden in einen für diese Zwecke zugelassenen Container umgeladen und an den Absender zurückgeschickt. Wahrscheinlich arbeitet irgendein getarnter Umweltschützer im Ministerium, der sich diesen fiesen Schachzug gegen die Atommafia ausgedacht hat!

(BG)