Internationales

IWF/Weltbankgipfel in Prag:

Lauer Auftakt

Der Auftakt war eher enttäuschend, da konnte auch das Meer roter Fahnen nicht drüber hinwegtrösten. Nur 2.000 bis 3.000 folgten am Samstag vergangener Woche in Prag dem Aufruf von Gewerkschaften und hiesiger KP, gegen die Jahrestagung von Weltbank und Internationalem Währungsfond zu demonstrieren. "Offenbar hat die Kommunistische Partei nicht richtig mobilisiert", meint Stefan Hartmann von der PDS Sachsen. Die Arbeit habe alleine beim nur wenige hundert Mitglieder zählenden Jugendverband gelegen. Die rund 12.000 organisierten Kommunisten der tschechischen Hauptstadt sind hingegen weitgehend zu Hause geblieben.

Die Wenigen, die am Samstagnachmittag den Weg zur Kundgebung fanden, werden sich etwas verloren in dem Wald deutscher, englischer, türkischer, griechischer und italienischer Transparente vorgekommen sein. Aus (fast) allen Ecken Westeuropas waren sie gekommen. Den weitesten Weg hatten 200 griechische Gewerkschafter und Kommunisten zurückgelegt, die in Autos und Bussen angereist waren. Selbst von Kreta war eine Abordnung dabei. Ähnlich weit hatten es 16 Mitglieder des Jugendverbandes der schwedischen Linkspartei, die kräftig auf Englisch und Tschechisch Parolen gegen IWF und Weltbank schmetterten. Manchmal ließ man auch auf Deutsch die internationale Solidarität hoch leben. Auch aus Italien hatte die Rifondazione Comunista einen Bus organisiert. Andere italienische Gruppen waren allerdings nicht vertreten. Die meisten orientierten eher auf den 26.9., den Tag, an dem der offizielle Teil, die Banker-Tagung beginnt.

Ähnlich hält man es in Frankreich, das kaum vertreten war. Dem französischen Antiglobalisierungs-Netzwerk Attac war die Veranstaltung zu KP-lastig. Stattdessen werden am 26.9. zu den Aktionen von INPEG, einem Bündnis unabhängiger linker Gruppen, einige französische Busse kommen. Auch die vielen Hundert Weltbank-Kritiker, die an dem von INPEG organisierten Gegenkongress teilnahmen oder sich in Kleingruppen auf gewaltfreie Blockaden vorbereiteten, ließen sich nicht unter den roten Fahnen sehen. Das mag u.a. an der Haltung der tschechischen Gastgeber gelegen haben, die aus hautnaher historischer Erfahrung eine Abneigung gegen die KP hegen.

Nicht von der KP-Dominanz abschrecken ließen sich britische Trotzkisten und Gewerkschafter. "Wir sind hier", meinte Collin Loyd aus London, "um die Antiglobalisisierungs-Bewegung so stark wie möglich zu machen, und das heißt, dass die Arbeiterklasse und ihre Organisationen einbezogen werden müssen." Die ließen sich allerdings am Samstag in Prag nicht sehen.

Woran immer das elegen haben mag, rosige Lebensverhältnisse können es nicht gewesen sein: Die Arbeitslosigkeit ist inzwischen bei über 9%, nicht zuletzt eine Folge der IWF-verordneten Privatisierungspolitik. Der Durchschnittslohn liegt bei knapp 700 DM, der Mindestlohn bei rund 230 DM. Doch Transparente, die auf diese miserable Lage der tschechischen Arbeiter hingewiesen hätten, waren auf der Demonstration nicht zu sehen.

So kam denn das größte Kontingent am Samstag aus Deutschland. Vor allem PDS und DKP hatten mobilisiert, aber auch kleinere kommunistische Organisationen waren vertreten. Für die demokratischen Sozialisten hielt der Bundestagsabgeordnete Ilja Seifert eine Grußrede auf Deutsch und Tschechisch. "Wir müssen gegen den IWF kämpfen. Wir brauchen eine andere Politik, eine, die das Geld in Regionalwirtschaften steckt", ließ er die Anwesenden wissen. Seifert war bereits am Vortag angereist. Zwei Berliner PDS-Busse kamen hingegen erst sehr verspätet an, da sie an der Grenze auf der deutschen Seite ausgiebig kontrolliert und durchsucht worden waren. Einer Journalistin wurden dabei u.a. sämtliche Unterlagen einschließlich Adresslisten fotokopiert. Auch zwei Busse aus Schweden und Großbritannien wurden über acht Stunden an der Grenze festgehalten.

Die PDS hatte besonders in Sachsen für die Demo-Teilnahme geworben. Stefan Hartmann, Mitglied im dortigen Landesvorstand, ist mit der Unterstützung durch die Bundespartei unzufrieden. Immerhin habe in Münster die ganze Partei beschlossen, dass die Aktionen in Prag unterstützt werden sollen. Da hätte man schon ein paar mehr Teilnehmer erwarten können. In den beiden Berliner Bussen waren die PDS-Mitglieder fast an zwei Händen abzuzählen gewesen.

Ein vollkommen anderes Spektrum demonstrierte dann am Sonntag: Die internationale Kampagne für die Streichung der Dritte-Welt-Schulden, Jubilee 2000. Wie am Samstag kam die Mehrzahl der Protestierenden aus dem Ausland. Pastor Jiri Silnc von der hussitischen Kirche hat allerdings auch nicht mit mehr Beteiligung von der tschechischen Seite gerechnet. Die Schuldenerlass-Kampagne stehe in der tschechischen Republik noch am Anfang. Die Aktiven hätten auch damit zu kämpfen, dass internationale Solidarität noch einen schlechten Ruf habe, da sie in der Vergangenheit instrumentalisiert worden sei.

Ebenfalls am Samstag hatte der tschechische Präsident Vaclav Havel Vertreter der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und der Finanzinstitutionen zu einem Dialog eingeladen. Nach Berichten verschiedener Beobachter hatten die Banker allerdings den Kritikern nicht viel mehr zu entgegnen, als dass sie auch Menschen seien, die sich sehr wohl Gedanken über die Armut in der Welt machten.

Wie wenig ernst der Dialog gemeint war, zeigt sich u.a. an den Schwierigkeiten, die ein Teil der IWF/Weltbank-Gegner an den tschechischen Grenzen hatten. Die Polizeibehörden der EU-Staaten und der USA hatten offensichtlich den tschechischen Behörden schwarze Listen politisch unliebsamer Personen übermittelt. Am Sonntagmorgen wurde z.B. ein Sonderzug aus Italien in Dvoriste an der Grenze zu Österreich aufgehalten. Den ganzen Tag über saßen 800 Menschen an der Grenze fest. Erst nach zahlreichen Protesten und einer Blockade des Schienenverkehrs von und nach Österreich konnte die Fahrt fortgesetzt werden.

Die richtig großen Proteste werden wahrscheinlich am 26.9. - kurz nach Redaktionsschluss - losgehen, der auch zum internationalen Aktionstag ausgerufen wurde. In mehreren Dutzend Staaten auf allen Kontinenten sind Aktionen geplant. In Prag hielten sich bereits am 25.9. mehrere Tausend Weltbank-Gegner aus aller Welt auf. Die städtischen Behörden haben allerdings nur eine Kundgebung erlaubt. Eine bereits seit langem mit der Polizei abgesprochene Demonstration wurde verboten. Viele Aktivisten sind dennoch entschlossen, mit gewaltfreien Sitzblockaden rund um das Kongress-Zentrum das Business-as-usual der Finanzminister und Banker zu stören.

 

(wop)

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Aktuelle Informationen ueber die Ereignisse in Prag gibt es auf der homepage der unabhängigen Pressegruppe. U.a. sind dort auch Links zu einer Reihe der Aktionen zu finden, die am Dienstag rund um den Globus stattfanden. www.praha.indymedia.org