Kommentar

"Deutsche Leitkultur" oder die Makroausgabe der "befreiten nationalen Zonen"

Hass auf alles vermeintlich oder tatsächlich Schwache und das Predigen des "Survival of the Fittest" sind die Kerngedanken jeder faschistischen Ideologie. Auch für den Kapitalismus, der ja bekanntermaßen den Faschismus als Herrschaftsform nicht zwangsläufig braucht, sind diese beiden Elemente als Schmiermittel, damit der Laden läuft, unverzichtbar. Der Kapitalismus, der in Gestalt einer parlamentarischen Demokratie daherkommt, kann sich allerdings in bestimmten Phasen den Luxus erlauben, ein etwas zivileres Menschenbild zu propagieren. Drolliges Beispiel: Die selbe SPD, die unter Schröder den harten, pragmatischen Maxen markiert, legte sich in den friedensbewegten 80ern eine neue Parteihymne mit dem programmatischen Refrain "Wir wollen wie das Wasser sein, das weiche Wasser bricht den Stein" zu. Doch die Zeiten der "Die-Ins" - massenhaftes Tot-Spielen als Widerstandsform - und der strickenden Männer sind ein für alle Mal vorbei. The times they are a changing. Niemand der Herrschenden gibt heute noch vor, wie weiches Wasser sein zu wollen.

Im Gegenteil. Ziemlich unverblümt begründet die CDU-Vorsitzende Merkel den Rausschmiss ihres Generalsekretärs damit, dass dieser zu lasch, zu weich, sprich eine Nulpe sei. (Auf Pressekonferenzen werden diese Attribute dann mit dem schönen Ausdruck "Brückenbauer" umschrieben.) Und der Nachfolger des Geschassten, stolz auf seine Rambo-Qualitäten, demonstriert gleich, dass unter ihm keine Gefangenen gemacht werden. Der Vorgänger wird bei ihm daher zum "Missgriff", den Begriff der "deutschen Leitkultur" in die politische Diskussion zu bringen, findet er prima.

Und damit steht er nicht alleine. Nicht nur KN-Redakteur Falk Osberger "hetzt weiter", wie D.L. in der letzten LinX feststellte. Auch Osbergers Kollege Wolf Ullmann freut sich in der KN vom 30.10. wie blöde darüber, dass mit der Forderung nach einer "deutschen Leitkultur" endlich die Auseinandersetzung darüber, ob "die Deutschen in Deutschland nur noch ein Volk unter vielen (...) oder das tonangebende" sein sollen, "auf Touren kommt". Nichts anderes, als dass die Deutschen das tonangebende Volk bleiben, wollen die Nazis mit ihrem Projekt der "befreiten nationalen Zonen durchsetzen. Um kein "Volk unter vielen" zu sein, wird am "Herrentag" Jagd auf Schwarze gemacht. Das ist der alleinige Zweck.

Warum Linke vor diesem Hintergrund gemeinsam mit der Leitkultur-Partei zu einer Antifa-Demonstration am 9. November aufrufen, ist wohl nur mit dem deutschen Runde-Tische-Wahn und der Liebe zu "Bündnissen für was auch immer" zu erklären. Obwohl - wenn mit der Neuen-Mitte-SPD ("Kriminelle Ausländer an den Kragen packen und sofort raus!") oder den Grünen ("Multi-Kulti ist gescheitert") zusammengearbeitet wird, warum dann nicht auch mit der CDU? Die Republikaner sind übrigens auch für ein NPD-Verbot ... (cs)

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