Betrieb & Gewerkschaft

IG Metall Aktion "Rettungsboot" in Brüssel:

Schwach besetzt und "aufgelaufen"

Subventionspoker - Landesregierung unter Druck

Vor einem Jahr, im November 99, haben an die 120.000 Beschäftigte der Werft- u. Zulieferindustrie in 12 europäischen Ländern an einem gemeinsamen Aktionstag demonstriert. Das vereinzelte und gespaltene maritime Kapitalistenlager war von IG Metall/EMB zum Jagen getragen worden: "Für die Zukunft der maritimen Industrie in Europa - Gegen die Dumpingpreispolitik Südkoreas!" (vgl. LinX 23/00). Über ein Jahr wurde - mit nationalistischem Gerassel - zum Schluss mit der Aktion "Rettungsboot" in Deutschland gegen Südkoreas "Expansions- und Dumping-Preispolitik" mobilisiert und um weitere Subventionen für den Schiffbau gepokert. (vgl. LinX 24-25/00)

Der Rat der EU-Industrieminister hat am 5.12. Deutschland mit seinem Wunsch, die (Handels-) Schiffbaubeihilfen über 2000 beizubehalten, auflaufen lassen. "Das ist ein guter Tag für Südkoreas Dumpingpolitik und ein schlechter Tag für den europäischen Schiffbau", kommentierte IGM-Bezirksleiter F. Teichmüller die EU-Entscheidung (u.a. soll Südkorea weiter "beobachtet", erste Schritte für eine Klage vor der WTO eingeleitet und im Mai erneut über Werfthilfen in Europa beraten werden). Spanien, Italien, Griechenland und Portugal waren mit im Boot. Die Vertreter Frankreichs, Großbritanniens, Dänemarks, Schwedens und der Niederlande waren strikt gegen das bisherige Subventions-Regime: Anhaltende Wettbewerbsverzerrungen im EU-Binnenmarkt sind deren Befürchtungen. Auch die Angst vor den - des "Unfair-Pricing" bezichtigten - südkoreanischen Werften, die japanischen Werften den 1. Platz streitig machen, konnte sie nicht ins Boot treiben. Die "Anti-Korea-Aktion" lief auch unter der Fahne des EMB (Europäischer Metallarbeiter Bund), ohne Aktionen an anderen EU-Schiffbaustandorten!

Werftenhilfe - selbst die "Front Deregulierungs-Partei" ist dafür

Weitere Aktionen gab es - nach dem EU-Beschluss - im Dezember in Schleswig-Holstein: Gegen die eingeschränkte Co-Finanzierung der 7% Wettbewerbshilfe (1/3 Bund + 2/3 Land) machten IG Metall Küste und Werftbosse gegen die rouge-olivgrüne Landesregierung mobil. Die Belegschaft der FSG-Werft in Flensburg belagerte das Büro des SPD-Landtagsabgeordneten, die der Flender-Werft in Lübeck blockierten für eine halbe Stunde die Herrenbrücke im Zuge der B5 und in Kiel die der Lindenau-Werft (mit hohem Fremdfirmenanteil) lauschte den Rednern von Vertretern aller Landtagsparteien. Selbst die FDP, sonst als Front-Deregulierungs-Partei bekannt, fordert hier mehr Subventionen! Die Landesregierung bewegte sich nach diesen Aktionen - Richtung Berlin. Sie will in Verhandlungen mit der Bundesregierung eine anderen Bund-Länder-Verteilungsschlüssel für die Werftenhilfe erreichen - möglichst fifty-fifty. Der Bund stellt z.Z. 320 Mio. DM zur Verfügung, wovon die Werften in S.-H. ca. 80 Mio. DM erhalten, wenn das Land 160 Mio. DM co-finanziert. Im Haushaltsentwurf 2001 sind 80 Mio. DM vorgesehen.

Die kleinen und o.g. mittleren Werften stehen i.d.R. nicht in Konkurrenz zu Südkorea, reklamieren für sich jedoch Ängste in ein Auftragsloch zu fallen, wenn ab 2001 (vorerst) keine Subventionsbeschlüsse in der EU gefällt werden (dürfen). Am 13.12. war am Landeshaus in Kiel die - wohl letzte - Subventionspokerrunde: Die Belegschaft der Lindenau-Werft war geschlossen mit den Bossen angerückt. "Kein Wunder, wenn es von der Werftleitung gewollt wird kommen alle. Ist ja auch verständlich das die was abhaben wollen (von den Subventionen!), bevor das Geld in die anderen Bundesländer geht", so ein Feinblechner der Werft. "Lindenau hat 2 Aufträge fest und 3 Optionen, wofür - nach Aussage der Geschäftsführung - die Subventionen unbedingt gebraucht werden", erklärte ein IGM-Vertrauensmann das Anliegen. "Wenn es um Arbeitsplätze geht, lege ich mich mit jedem (jeder?) ins Bett, außer mit Faschisten", bekannte ein Betriebsrat der Werft. Von den Werften FSG, Flender und HDW sowie einiger Zulieferbetriebe waren Betriebsratsdelegationen angerückt.

Nach Vorgesprächen zwischen IG Metall und Unternehmensleitungen mit der Landesregierung und einer weiteren Verhandlung, während der die Demonstranten vor dem Landtag warteten, zwischen IGM Bez.-Leiter F. Teichmüller, MP H. Simonis und WiMi B. Rohwer wurde den Demonstranten versprochen: Für alle Aufträge, die bis zum Jahresende akquiriert werden können, gibt es Wettbewerbshilfe und/oder Auftragsbürgschaften - für HDW nur eingeschränkt, für die Flender-Werft überproportional. Eine Aufstockung der Landes-Werftenhilfe wurde mit dem Hinweis auf den verfassungsmäßigen Rahmen des Landeshaushaltes nicht zugesagt. F. Teichmüller: "Wir sind mit unseren Forderungen noch nicht durch!"

Forderungen der IG Metall oder Landesregierung nach Einblick in die "Bücher" und Kassen der Not reklamierenden Werften sind nicht bekannt. "Dass Handelsschiffbau in Europa - unter den gegebenen Weltmarktbedingungen - mit Tomatenzucht auf Grönland vergleichbar ist", kann ernsthaft niemand bestreiten. Kein Grund, den Subventionsabzocker in den Chefetagen zu gestatten, die Karten verdeckt halten zu lassen. Bei der zu erwartenden Orderwelle werden sie ausgespielt: Die Karten bedingt - die Belegschaften, Betriebsräte, Gewerkschaften, Politiker und Regierung(en) voll. Wobei manche begeistert mitzuspielen scheinen - beim Subventionspoker! (W. Jard)

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