Internationales

Globalisierung von unten

Weltsozialforum tagte in Brasilien

Zeitgleich zum Treffen der Mächtigen der Welt im Schweizer Davos traf sich diese Jahr zum ersten Mal das Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre. Während die Organisatoren mit 2500 Delegierten gerechnet hatten, kamen insgesamt rund 10.000 Menschen aus 122 Ländern. Sie vertraten Gewerkschaften, Frauen-, Jugend- und Bauernorganisationen und Bewegungen indigener Völker aus allen Kontinenten, die die Ablehnung einer Weltwirtschaftsordnung eint, in der der freie Warenverkehr das Maß aller Dinge ist.

Scharfe Attacken gab es zur Begrüßung vom brasilianischen Präsidenten Fernando Cardoso, der die finanzielle Unterstützung der Regierung des Bundesstaates Rio Grande do Sul für das Forum kritisierte und seine Privatisierungspolitik verteidigte. Olivio Dutra, Mitglied der Arbeiter Partei PT und Präsident Rio Grande do Suls, konterte vor dem Eröffnungsplenum, das Weltsozialforum sei auch "eine Antwort an jene, "die sich wie die Bundesregierung Cardosos dem Neoliberalismus unterwerfen". Die PT, deren linker Flügel in Porto Alegre regiert, hat das von den wichtigsten sozialen Bewegungen des Landes getragen wurde, tatkräftig unterstützt.

Das Forum versteht sich als Gegenveranstaltung zu dem zeitgleich im Schweizer Davos tagenden Weltwirtschaftsforum (siehe Artikel in dieser LinX). Nach der Eröffnung zogen die 10.000 Gäste zusammen mit vielen Einheimischen durch die Stadt. Motto der Demonstration: "Gegen den Neoliberalismus - für das Leben!" Der Abend wurde mit einem Open-air-Konzert beendet. Zusätzlich zu dem Treffen der sozialen Bewegungen traf sich am Wochenende auch eine weltweite Versammlung von Parlamentariern.

Viele der Versammelten haben reichlich Wut mit nach Porto Alegre gebracht: "Die Regierungen, die sich in Davos versammeln, um ihre zukünftige Politik zu skizzieren, sind diejenigen, denen weder die Hand zittert noch das Herz sich rührt, wenn sie Hunger und Unterdrückung globalisieren", meint Gilberto Silvestre. Der Mexikaner koordiniert den lateinamerikanischen Zweig von Via Campesina, einer weltweiten Vereinigung von Organisationen der Kleinbauern.

Via Campesina trägt mit einer ganzen Reihe Arbeitsgruppen zum Forum bei. Themen sind u.a. die Verbreitung gentechnisch-manipulierten Saatguts und die Liberalisierung des Weltagrarhandels, der die kleinen Bauern nicht nur in Europa und den USA an den Rand drängt und ihre Existenzgrundlagen vernichtet. Innerhalb der Welthandelsorganisation WTO drängt eine Koalition von Industriestaaten und einigen Ländern mit starker Plantagen-Lobby, wie die Philippinen, auf Abschaffung der Zollschranken und weltweite Konkurrenz. Auch in Europa unterstützen einflußreiche Industriellen-Verbände wie der deutsche BDI entsprechende Forderungen.

Daher gehört zu den Teilnehmern in Porto Alegre auch der französische Bauern-Aktivist José Bové, der zuhause durch den Abriss eines McDonalds-Imbiss zum Held der Globalisierungs-Gegner wurde. Es gehe nicht so sehr um ausgefeilte theoretische Konzepte, als vielmehr um die revolutionäre Tat, äußerte er gegenüber Nachrichtenagenturen. Beim Sturm auf die Pariser Bastille habe man auch nicht gewusst, was danach kommt.

Gesagt getan. Die Bewegung der Landlosen MST, die zu den Mitorganisatoren des Forums gehörte, bereits am Donnerstag, dem Eröffnungstag ein Versuchsgut des Gentechnik-Monopolisten Monsanto in der Nähe Porto Alegres besetzt. Frauenorganisationen und ein Kleinbauernverband beteiligten sich. Am Freitag rückten dann internationale Bauern-Delegationen aus Porto Alegre an, darunter auch José Bové und beteiligten sich an der Zerstörung der Felder, auf denen gen-manipulierte Pflanzen wuchsen.

Kritik gab es am Auftritt des ehemaligen französischen Verteidigungsminister Jean Pierre Chévènement, der offensichtlich von Attac-Frankreich eingeladen worden war. Die französische Bewegung der Sans Papiere protestierte gegen dessen Auftritt wegen der Repressionen gegen Immigranten auch unter der Regierung der Sozialisten, an der er beteiligt gewesen war. Auch der französische Handelsminister trat in Porto Alegre auf, erntete jedoch heftigen Protest.

Auch der einstige Kopf des algerischen Unabhängigkeitskampfes gegen Frankreich Ben Bella gehörte zu den zahlreichen Prominenten Gästen des Forums. Auf die Frage eines brasilianischen Reporters, ob man in heutigen Zeiten noch revolutionär sein könne, antwortete er ohne zu zögern: "In einer Welt, in der noch immer Millionen verhungern, ist es unmöglich, nicht revolutionär zu sein. Wir müssen eine neue Art der Globalisierung schaffen, eine für die Menschen und nicht fürs Geld." Das Forum tagte bis Dienstag. (wop)

Weitere Informationen über das Weltsozialforum im Internet unter:

http://www.worldsozialforum.org

http://www.jungewelt.de/2001/01-25/008.shtml

http://www.sozialismus-jetzt.de/linx-00-14/globalisierung.html

http://www.sozialismus-jetzt.de/linx-00-18/genf.html

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