zur Gegendarstellung

Jeder gegen jeden und Gott gegen alle?

Nun sitze ich hier vor meinem leeren Bildschirm, weil man erwartet, dass ich auf diese "Gegendarstellung" antworte. Aber was soll man dazu sagen, wenn man anonym als "Lügner" bezeichnet wird, als jemand, der die Seite gewechselt hat. Was soll man dazu sagen, wenn die Autoren einem nicht einmal in die Augen schauen können? Was soll man dazu sagen, dass auf die Bitte der Redaktion — ich habe mich übrigens als Befangener selbst aus der Entscheidung über den Umgang mit diesem Text soweit wie möglich heraus gehalten —, man möge den verleumderischen Stil überarbeiten, nicht geantwortet, sondern in einer linken Mailingliste verbreitet wird, die LinX weigere sich, die "Gegendarstellung" abzudrucken? Was soll man dazu sagen, dass man verleumdet wird, nur weil man es wagt die Frage zu stellen (und Augenzeugenberichte dazu beiträgt), was rund um die Schüsse tatsächlich geschehen ist? Ist es Verrat, wissen zu wollen, statt zu glauben?

Vielleicht kann sich ja der eine oder die andere Wohlmeinende vorstellen, was es heißt, als Einzelperson solch anonymen Anwürfen ausgesetzt zu sein.

Sicher wäre es das Beste, das alles zu übergehen, und einfach zum inhaltlichen Kern des Streits vorzudringen, ein Streit über die Fetischisierung eines engen Militanz-Begriffs und darüber, wie man sich in einer internationalen, notwendiger Weise sehr vielfältigen Bewegung solidarisch verhält. Doch diesen Streit werden andere führen müssen. Meine Schultern sind nicht breit genug, um noch mehr Verleumdungen zu tragen.

Einige Anmerkungen möchte ich dennoch zum Verständnis von Texten machen und zur Klarstellung: Der beanstandete Beitrag ist kein Artikel, sondern eine Reportage, d.h. eine Textform, die per se subjektiv ist. Sie ist geschrieben aus einer Stimmung heftigen Ärgers heraus, Ärgers über den angerichteten politischen Schaden. Von dem konnte ich mich auf der Samstag-Demonstration in zahlreichen Gesprächen überzeugen. Alle Leute, mit denen ich sprach — Anarchosyndikalisten, Trotzkisten, Unorganisierte — waren wütend über das am Vortag vorgefallene, die "Riots", wütend zumeist auf beide Seiten, wobei einige Unorganisierte auch Verständnis für die Polizei hatten. (Achtung: Genau lesen!! Man schiebe jetzt bitte nicht mir dieses Verständnis in die Schuhe!) Dieser politische Schaden ist jedenfalls ein Fakt, der sich nicht wegdeuteln lässt. Man kann sich von ihm übrigens auch in den Diskussionen auf den Seiten des schwedischen Indymedia-Zentrums überzeugen. Dass dieser politische Schaden offensichtlich von Regierungsseite gewollt war und gezielt herbeigeführt wurde, habe ich in meiner Reportage und auch in vorherigen Beiträgen in der jungen Welt sehr deutlich gesagt.

Eine Presseerklärung der schwedischen Anarchosyndikalisten (SAC), die wir in dieser Ausgabe dokumentieren, gibt einen kleinen Einblick, wie die Göteborger Vorfälle in Schweden aufgenommen wurden. Da man das ja offensichtlich einigen Menschen ausdrücklich sagen muss: Die Tatsache, dass ich mich für deren Abdruck eingesetzt habe, heißt nicht unbedingt, dass ich sie vorbehaltlos teile.

Wolfgang Pomrehn

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