Betrieb & Gewerkschaft

Tarifrunde Metall- und Elektroindustrie 2002:

IGM-Küste im Forderungskorridor

Tarifrunde 2002

Für ihre Mitglieder unter den 180.000 Beschäftigten fordert die IG Metall Küste "eine Erhöhung der Löhne und Gehälter im Volumen von 6,5 Prozent", einschließlich einer "Strukturkomponente" für einen Einstieg in ein Entgeltrahmenabkommen ERA (vgl. LinX 12/01 "AERA- eine kostenlose..."), und einer Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 55 Euro. Die Laufzeit soll zwölf Monate nicht überschreiten. Damit bewegt sich die Küste, mit den anderen Bezirken, auf dem vom IGM-Vorstand vorgetretenen Trampelpfad im Forderungskorridor von 5-7 Prozent. (vgl. LinX 26/01)

Im Werk der Heidelberger Druckmaschinen AG in Kiel-Suchsdorf hatte der IG Metall Vertrauensleutekörper per Fragebogen nachgefragt:

9,8 Prozent der Befragten waren für eine Forderung unterhalb, 72,6 Prozent für eine innerhalb und 17,6 Prozent für eine Forderung oberhalb der Forderungsempfehlung der Frankfurter IGM-Zentrale an die Tarifkommissionen der Bezirke. "Mehr als dreiviertel der nicht in der IG Metall organisierten halten die IG Metall für wichtig und unterstützen die Forderung", schreibt der IGM-Vertrauenskörper im Aushang. "Verbalradikalismus" ohne Mut und Willen zum individuellen und kollektiven Risiko? Das deckt sich wiederum mit dem Getrommel aus der Frankfurter Zentrale. Unter den heutigen Bedingungen wird der IG-Metall Vorstand alles tun, damit ein Arbeitskampf verhindert wird. Öffentlichen Bekundungen zum Trotz, soll beim "Bündnis für Arbeit" Treffen im Kanzleramt doch Tarifstrategisches zwischen IG Metall und Metall-Kapitalistenverbänden gestreift worden sein.

Der Autor wagt zu orakeln: Reallohnsenkender Flächenabschluss mit Öffnungsklauseln – für "erfolgreiche" Unternehmen (vgl. LinX 24/01)– nach oben, gegen einen zeitlich gestreckten Einstieg in ein, für Arbeiter und Angestellte gemeinsames, Entgelt-Rahmen-Abkommen. Damit wäre eine alte Forderung der Gewerkschaft erfüllt und bei kurzer Laufzeit könnte eine 3 vor dem Komma errechnet werden! Die vom Volksmund "Bündnis gegen die Arbeiter" genannten Kaffeekranztreffen mit Kamingesprächen waren alle bisherigen erfolgreich: Für die Kapitalisten und deren geschäftsführenden Ausschuss an der Spree! Die Gewerkschaften gaben sich mit Brosamen zufrieden.

Gute Arbeit?

Unzufrieden sind in der Tat viele nicht nur in den Betrieben im Lande. Doch den 90 Prozent, die nicht arbeitslos sind, fehlt u.a. der Mut und Wille. In und um Kiel befinden sich, nach 25 Jahren Deindustrialisierung, weiterhin Metall-Firmen am Rande oder in der Insolvenz. Andere – wie Caterpillar in Kiel-Friedrichsort – sind von Outsourcing betroffen. Selbst die zahlreichen, im und um den Militärisch Industriellen Komplex gruppierten Betriebe planen weitere Entlassungen. Die Thales Naval GmbH plant beispielsweise, nach erfolgreich umgesetzten Kostensenkungsprogrammen, weitere 60 der 167 Mitarbeiter in Kiel zu entlassen. "Das Unternehmen leidet unter der mehrmaligen Verschiebung großer Schiffbauprojekte aus dem In- und Ausland, unter anderem dem Bau der Korvetten K130 für die Bundesmarine", erläuterte der Geschäftsführer Eugen Klotz den (noch) Beschäftigten auf einer Betriebsversammlung am 25. Januar.

Die Öffentlichkeit verwundern wird, dass auch bei HDW – trotz überbordender Auftragssituation – seit einem Jahr von Entlassungen gesprochen wird. Der Nichtmilitärische Schiffbau soll auf Sparflamme – zum Erhalt von Kapazitäten für den Überwassermilitärschiffbau – gedreht werden!

Das von den Vertrauensleuten der IG Metall erfragte Ergebnis gibt die Stimmung im Lande (nördlich des Mains) gut wieder. Auf dem deindustriealisierten Gebiet der ehemaligen DDR sieht es mit der gewerkschaftlichen Kampfkraft – von wenigen industriellen Kernen abgesehen – absolut düster aus. Nur aus dem Süden der Republik könnte Druck entstehen: Nicht nur weil der baden-württembergische Bezirksleiter Bertold Huber den Vorsitzenden der IG Metall beerben möchte! (vgl. LinX 24/01)
W. Jard

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