Herr, send' Hirn!

Mögen sich die Pläne der NATO-Kriegstreiber, mal eben in "Blitzkrieg"-Manier die Menschenrechte in Serbien herbeizubomben, spätestens nach dem "furchtbaren Versehen" mit der chinesischen Botschaft auch zerschlagen haben, die Heimatfront steht - zumindest in Kiel: Treiben die einen den Krieg an, so verdrehen Kommentatoren der örtlichen Monopolpresse subtil die Tatsachen. Lokalredakteur Tim Holborn, seit langem bekannt als Lohnschreiber der polizeilichen Gewaltmonopolinhaber, sah in seinem Kommentar in den KN vom 8.5. (sic!) "erneut die Sache der Friedfertigkeit" bedroht, freilich weder durch NATO-Bombenwerfer, noch durch prügelnde Polizisten vor dem Schauspielhaus bei den Protesten gegen die dortige NATO-Feier. Nein, die "Randalierer" sind's gewesen. Und die müsse die Polizei in Zukunft mit "einer Strategie der Entschlossenheit" bekämpfen. Tja, die Polizei ist auch nicht mehr, was sie mal war, einfach zu lasch die grünen Jungs. Weiter meint Holborn: "Die Landeshauptstadt muß also auch in Zukunft damit rechnen, daß politische Gewalttäter stören und behindern wollen - das beweisen die Krawalle vom 6.5. und beim Gelöbnis sowie der Nazi-Aufmarsch vom 30. Januar." Über den letzten Halbsatz kann man trefflich brüten. Was will uns Holborn damit sagen? Wohl kaum dürfte er damit gemeint haben, daß NATO-Feier, Gelöbnis und Nazi-Aufmarsch als "Veranstaltungen mit militärischem Hintergrund" etwas miteinander zu tun haben, oder? Hatten etwa auch am 30. Januar "politische Gewalttäter" einen friedlichen Nazi-Aufmarsch "stören und behindern wollen", oder sind NATO-Feiern und Gelöbnisse vielleicht doch "Nazi-Aufmärsche" mit anderen Mitteln? Nein, so spitzfindig ist Holborn nun doch nicht, wenn er den zwanzigsten Aufguß seiner Totalitarismustheorie für Arme bringt.

Souffliert wurde Holborn, dem als Sprachrohr für rechtsaußen CDU-Positionen jegliche eigenen Gedanken abzugehen scheinen, diesmal vom Kieler CDU-Fraktionschef Arne Wulff. Wulff jedoch, schreibt nicht, sondern fordert Konsequenzen. Da die "Spuren des Aufmarsches" - auch hier ist nicht die Präsens deutscher und anderer NATO-Truppen in Ex-Jugoslawien gemeint - angeblich "zum Kommunikationzentrum Hansastr. 48 führen", müßte der städtische Zuschuß an diese "Keimzelle gewaltbereiter Autonomer" sofort gestoppt werden.

Mag Wulff doch fordern, was er möchte, zwei kleine Aspekte sollte er dabei beachten. 1. Bei den "teuersten Eiern, die OB Gansel, bisher an den Kopf bekommen hat" (Wulff) handelt es sich vielleicht ja auch um "kollateral damages", einen bedauerlichen Irrtum sozusagen, die, da falsch programmiert, eigentlich den Oberdummschwätzer der anderen großen Ratsfraktion treffen sollten. 2. Verdient hat der OB die Eier allemal. Wer live dabei war, wie der ideelle Gesamtkieler huldvoll die vorbei defilierende Maiparade abnahm - selbst den beiden Transparentträgern der PDS AG "Betrieb und Gewerkschaft" hätte er am liebsten über den Kopf gestrichen - wünschte sich den Monatsausstoß einer Legebatterie aus Südoldenburg, um dem unangenehmen Treiben des Stadtoberhauptes Einhalt zu gebieten.

Lehrreich dagegen der Auftritt der Ministerpräsidentin auf der 1. Mai-Kundgebung vor dem Kieler Gewerkschaftshaus: In einer völlig kruden 'Ranschmeiße an die Teilnehmerinnen dieser absurden Veranstaltung stellte Simonis das Hauptargument für Frauenerwerbstätigkeit heraus: "Auch ihre Ehemänner, meine Damen, werden es zu schätzen wissen, wenn Sie abends nicht von den 3 Kilo geschälten Kartoffeln, sondern von ihrer Tätigkeit im Betrieb erzählen." Mal abgesehen, daß Frau Simonis hier wohl von mindestens zehn falschen Grundannahmen ausgeht, begründen könnte man mit solch abseitiger Argumentation auch, warum am Tag nach der Revolution die schleswig-holsteinische Regierung verhaftet und in einer Strafkompanie zu Renaturierungsarbeiten der A 20-Trasse eingesetzt wird. Nicht wahr, Herr Simonis? Sie würden doch wohl auch froh sein, wenn ihre Gattin vom entbehrungsreichen Aufbau des Öko-Sozialismus berichtet, statt Sie mit den ewig gleichen Landeshausanekdoten zu langweilen.

(C.S., MM)