Aus dem Kieler Rat

Sparen, Sparen, Sparen ...

Kämmerer Norbert Gansel legt Nachtragshaushalt vor

Oberbürgermeister und Kämmerer Norbert Gansel hat ein Problem. Meldungen über einen stabilisierten Haushalt muss er so verkaufen, dass sie einerseits wie Erfolge seiner Kaputtsparpolitik aussehen, andererseits muss er vermeiden, dass die Nachrichten über das Sinken der Verschuldung seinen rigiden Sparkurs verwässern könnten, indem "Begehrlichkeiten" wieder entstehen, die seine Sparparolen in den letzten Monaten so erfolgreich erstickt haben. Doch der OB findet stets genug Wasser vor, das er in den Wein gießen kann.

Diesmal sind es neben um 4,5 Mio. DM gestiegenen Personalkosten (Tarifabschlüsse vom Frühjahr) sinkende Einnahmen bei der Gewerbesteuer, die den Nachtragshaushalt, der mit einem Sinken des Kreditbedarfs um 77 Mio. auf nur noch 4 Mio. DM Rekorde bricht, noch ausreichend unrosig aussehen lassen. Zwischen 1994 und 1998 waren die Einnahmen der Stadt aus Gewerbesteuern von 194 Mio. auf 267 Mio. DM gestiegen. In diesem Jahr sollen es nur noch 190 Mio. DM sein. Grund sind v.a. Nach- und Rückzahlungen an die Landesbank (auf Grund einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes) und an die Telekom. Ohne diese Verluste hätte der Verwaltungshaushalt in diesem Jahr sogar einen Überschuss erwirtschaftet.

Dennoch will Gansel den enger geschnallten Gürtel, der, sollte das WIBERA-Gutachten umgesetzt werden, im sozialen Bereich manche Institutionen zu Tode strangulieren wird, nicht lockern. Neben den sinkenden Gewerbesteuern nennt er die Liberalisierung auf dem Strommarkt und die "Sozialhilfelasten" als schwer kalkulierbare Risiken für den Haushalt, die weiteres Sparen erforderlich machten. Sogar die 30 Mio. aus dem KWG-Verkaufserlös, die Gansel für die Sanierung von Schulen und Sportstätten hatte abzweigen wollen, wurden wieder auf Eis gelegt, vorsorglich auch gleich für das ganze Jahr 2000. Statt dessen setzt Gansels Nachtragshaushalt "neue Akzente" bei Prestige trächtigeren Projekten wie z.B. Umbau des Bootshafens und die Erweiterung der Verwaltungsstelle in Pries als Zweigstelle des Bürgeramts.

Unsoziale Sparerfolge

Stolz ist Gansel auf die Sparerfolge bei der Sozialhilfe. Durch strengere Kontrollen und Zwangsarbeit für SozialhilfeempfängerInnen hat sich deren Zahl um 562 verringert, ein Rückgang um 2,9%, während im Gegensatz dazu landesweit ein Zuwachs von 1,1% zu verzeichnen sei.

Volle Rückendeckung findet Gansel in der SPD-Fraktion im Rat. "Dass der Haushaltskonsolidierungskurs weiter fortgesetzt werden muss, ist bei der SPD-Fraktion beschlossene Sache", vermeldeten Fraktionsvorsitzender Jürgen Fenske und finanzpolitischer Sprecher Rüdiger Kirkskothen. Letzterer betonte, wie solide der beschlossene Haushalt 1999 mit ausgeglichenen Einnahmen und Ausgaben gewesen sei. Dies sei jedoch nur möglich gewesen, weil "unrealistische Anträge der anderen Fraktionen", etwa der gemeinsame Antrag von CDU, SUK und Grünen zum Bau einer Sporthalle in Russee, abgelehnt worden seien. Kirkskothen weiter: "Wir werden den Weg des Sparens an der richtigen Stelle konsequent betreiben. Zu einem strikten Sparkurs in Kiel gibt es keine Alternative."

Das sieht auch die CDU so, wenngleich sie, so ihr finanzpolitischer Sprecher Hein-Peter Weyher, nach dem Sinken der Schuldenlast durch den KWG-Verkauf ein erneutes langsames, aber stetiges Anwachsen der Schulden befürchtet. Etwa 2009 würden wieder 900 Mio. DM Gesamtschulden aufgehäuft sein. Die SUK argwöhnt, dass der Erlös des KWG-Verkaufs nicht vollständig zum Schuldenabbau dienen wird. Die SUK, so ihr Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kottek, werde darauf achten, dass insbesondere bei der SPD-Fraktion "keine Begehrlichkeiten" geweckt würden.

Auch die Grünen lobten Gansels "konsequente Haltung", kein Wort darüber, mit welchen unsozialen Maßnahmen (KWG-Verkauf, Zwangsarbeit für SozialhilfeempfängerInnen) diese gekoppelt ist. Lutz Oschmann forderte gar, den Erlös des geplanten Verkaufs von Anteilen der Stadtwerke nicht vollständig im Unternehmen zu lassen. "Auch dieser Verkauf von Tafelsilber, wenn er denn schon erfolgen soll, muss dem Schulden-Abbau der Stadt dienen", outete sich Oschmann als Ober-Sparer.

Sparen nur bei den Armen? Gansel will Zweitwohnungssteuer abschaffen

Recht hatte Oschmann hingegen mit seinem Hinweis, Gansels Sparwillen vertrage sich nicht mit seiner Ankündigung, die Zweitwohnungssteuer abzuschaffen. Gansel will der Ratsversammlung vorschlagen, die Zweitwohnungssteuer auszusetzen. Sie sei ein "bürokratisches Monstrum", denn Einnahmen von 300.000 DM stünden Verwaltungskosten von 168.000 DM gegenüber. Zudem treffe die Steuer "nicht nur einkommensstarke Gruppen". Auch Studenten oder "Arbeitnehmer, die sich eine Wohnung als Alterssicherung gekauft" hätten, seien betroffen, versuchte Gansel, den Verzicht auf die Steuer als soziale Maßnahme zu verkaufen. Allerdings, so Gansel weiter, müsse die Steuer wieder eingeführt werden, wenn sich herausstelle, dass Einwohner, die, auch um die Zweitwohnungssteuer zu umgehen, ihren ersten Wohnsitz in Kiel hätten, und diesen nun wegen des Fortfalls der Steuer aufgäben. Denn mit jedem Stadtflüchtigen fehlen 1.500 DM aus dem kommunalen Finanzausgleich im Stadtsäckel.

Gansel fand für seinen Vorschlag offene Ohren bei CDU und SUK. Sie seien von Anfang an gegen die Erhebung dieser Steuer gewesen, sagten beide Fraktionen. Die SPD hingegen verhielt sich abwartend. Zunächst müsse geprüft werden, so Rüdiger Kirkskothen, ob alle Mittel ausgeschöpft wurden, Einwohner zur Anmeldung ihres ersten Wonsitzes in Kiel zu bewegen. Erst dann könne die Steuer abgeschafft werden. Über Gansels Vorschlag will die Ratsversammlung schon im September beraten.

(jm)