Ratssplitter

Der Sommerpausen-Coup der SPD, den VVK-Betriebsrat Joachim Kistenmacher zum Arbeitsdirektor der VVK zu bestellen (LinX berichtete), hatte in der Ratsversammlung vom 16.9. noch ein Nachspiel. Die Opposition warf der SPD "undemokratisches Verhalten" vor. Die Grünen stellten einen Mißbilligungsantrag, den sie dann aber wieder zurückzogen, weil keine Zustimmung der Mehrheitsfraktion zu erwarten war. Der SUK-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kottek sah den "eigentlichen Skandal" darin, dass die SPD in der Ratsversammlung vom 8.7. den Antrag der CDU vertagt hatte, die Direktorenstelle, gemäß Ratsbeschluss vom 18.2., erst dann neu zu besetzen, wenn die neue Unternehmenskonzeption für den VVK vorliege. Die SPD hatte zum Mittel der Vertagung gegriffen, da durch die Befangenheitsregelung, nach der die Ratsmitglieder, die auch Mitglied der Vorstände des VVK sind, nicht an der Abstimmung hatten teilnehmen dürfen, ihre Mehrheit nicht mehr bestand (LinX berichtete). Ein derartiges Vorgehen, so Kottek, sei ein "Missbrauch des Geschäftsordnungsmittels Vertagung", das nur angewandt werden dürfe, wenn noch Klärungsbedarf bestehe. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske und OB Norbert Gansel hingegen stellten sich vor die Wahl des Arbeitsdirektors. Diese sei durch das Mitbestimmungsgesetz zwingend vorgeschrieben gewesen. Ohnehin hätte die Ratsversammlung allenfalls einen Vorschlag machen können, eine Weisungsbefugnis gegenüber den Vorstandsmitgliedern, wen diese zu wählen hätten, bestehe nicht. Überdies, so Gansel, hätte ein Aussetzen der Wahl des Arbeitsdirektors die "schwierige Situation der Stadtwerke" noch weiter verschärft. Ferner sei mit Kistenmacher ein Vertrag geschlossen worden, "der jede Vermutung beiseite legt, dass dies ein besonders gut dotierter Posten ist". Die SPD hatte beantragt, die Wahl Kistenmachers im Nachhinein durch die Ratsversammlung bestätigen zu lassen. Auch sie zog ihren Antrag zurück, so dass es bei der folgenlosen Debatte blieb.

Als Partei der "neuen Mitte" hat die Kieler SPD ihr Herz für Autofahrer entdeckt. In der Ratsversammlung vom 16.9. beantragte sie, die Bundesregierung möge aufgefordert werden, "die Finanzierung des (vierspurigen) Ausbaus der B 404 im laufenden Bundesverkehrswegeplan zügig sicherzustellen". Begründung: "Vor dem Hintergrund der Planungen zur festen Fehmarn-Belt-Querung erhält der Ausbau besondere Aktualität." Eben dies bestritt der grüne Fraktionsvorsitzende Lutz Oschmann. Die Belt-Querung werde eher Hamburg und Kopenhagen enger verbinden, Kiel bleibe "im Abseits". Die SPD wolle mit einem insofern nutzlosen Antrag lediglich ihr "Profil pro Pkw und Lkw" stärken. Die Grünen hingegen verweigerten sich der Finanzierung "einer Autobahn, bevor kein Schienenverkehrsplan steht". Mit dieser Gegnerschaft blieben sie im Rat allerdings allein.

Ähnliche Pläne hegt die SPD bezüglich des Flughafens Holtenau. Sie beantragte, einen Beirat einzurichten, in dem mit den Umlandgemeinden und der Landesregierung "zukünftige Entwicklungsperspektiven" des Flughafens beraten werden sollen. Noch höher fliegende Pläne hat die CDU. Sie beantragte alternativ zu einem Beirat, "in dem nur wieder viel geredet" werde, eine Machbarkeitsstudie zur Erweiterung des Flughafens. "Eine gute Verkehrsanbindung", so Ratsherr Jens Moriz, "ist Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft". Kiel müsse zur "dynamischen Drehscheibe zwischen Nordosten und Südwesten" werden. Auch dem Geschäft des "Charterverkehrs in Ferienregionen" müsse sich der Flughafen öffnen, "ohne den ökologischen Aspekt zu verdrängen". Auch wenn die SPD sich später mit ihrem Antrag zu einem Beirat durchsetzte, zeigte sich SPD-Ratsherr Tovar angetan von solchen Plänen. Die SPD habe "auch hier eine Kehrtwende" vollzogen. Vor 10 Jahren sei die SPD noch gegen den Flughafen gewesen. Heute stehe die SPD zum Flughafen. Er sei "erforderlich im zusammenwachsenden Europa, damit Kiel nicht abgehängt wird". Lutz Oschmann gab für die Grünen zu bedenken, dass der Flughafen einen deutlich geringeren Kostendeckungsgrad habe als die bereits defizitäre KVAG. Er verhehle nicht, dass den Grünen eine andere Flächennutzung vorschwebe als ein Flughafenausbau. Dennoch sei nicht zu bestreiten, dass der Flughafen "Bedeutung für die regionale Wirtschaft" habe. Ratsherr Cordes (CDU) verstieg sich gegen die Öko-Bedenken zu hahnebüchenen Behauptungen wie: "Der Luftverkehr verbraucht nur 3% der fossilen Energieträger. Die Gegner machen viel Lärm um nichts, Flugzeuge sind heute viel leiser als früher." OB Norbert Gansel machte klar, welcher Natur der Beirat sein soll: "Wir wollen keinen Beirat aus Bedenkenträgern und Neinsagern." Das zielte gegen die Umlandgemeinden, die sich, v.a. wegen der Lärmbelästigung, bisher eher gegen einen Flughafenausbau ausgesprochen haben. "Die Umlandgemeinden dürfen nicht die Entwicklung der gesamten Kieler Region behindern", wetterte Gansel. "Hier ist die erste Bürgerpflicht nicht Ruhe, sondern Arbeitsplätze zu schaffen."

Zweitwohnungssteuer abschaffen oder nicht? Für die Rats-CDU ist der Fall klar. Die Steuer muss abgeschafft oder zumindest ausgesetzt werden, da sie in der jetzigen Satzung einem BGH-Urteil widerspricht. Ferner sei die Erhebung im Verhältnis zu den Einnahmen viel zu kostenintensiv. Auch die SPD überlegt, die Steuer abzuschaffen, wenn auch aus anderen Gründen. Die Steuer sei "unsozial", so OB Gansel, sie betreffe z.B. auch Studenten mit einem Zweitwohnsitz in Kiel. Gegen die Abschaffung der Steuer spreche allerdings ein bisher wenig beachteter Effekt: Viele zur Steuerentrichtung Veranlagte hätten daraufhin ihren 1. Wohnsitz in Kiel angemeldet. Pro Einwohner mit 1. Wohnsitz erhalte die Stadt aus dem kommunalen Finanzausgleich pro Jahr 1.600 DM, weitaus mehr, als die Steuer selbst einbringe. Insofern besteht wohl noch Klärungsbedarf, weshalb der Antrag der CDU von SPD und Grünen an den Finanzausschuss überwiesen wurde.

(jm)