Ratssplitter

"Wenn die Wirtschaft floriert, entstehen zwangsläufig Arbeitsplätze", meint SUK-Fraktionschef Wolfgang Kottek. Zwar straft die Realität solche Behauptungen täglich Lügen, aber was soll's. Die SUK beantragte in der Ratsversammlung vom 14.10., der OB möge einen "kommunalen Handlungsrahmen zur Verringerung der Arbeitslosigkeit in Kiel" vorlegen. Die CDU gab der SUK in diesem Ansinnen Artikulationshilfe: Ersetze "kommunaler Handlungsrahmen" durch "kommunales Wirtschaftskonzept". Die SPD indes hält derlei für überflüssig, denn wie man Arbeitslose bekämpft, macht sie seit langem vor. "Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist uns eine Herzensangelegenheit", säuselte Thomas Wehner (SPD). Man habe "Sozialhilfeempfängern durch sanften Druck wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt" verschafft. Dass dieser "sanfte Druck" in Zwangsarbeit besteht, verschwieg Wehner allerdings. Die Wortwahl der SPD-Abgeordneten verrät sie dennoch. So gab Eckehard Raupach, sonst eher eine der letzten vorsichtigen Bastionen in der Fraktion gegen allzu rabiaten Sozialklau, zu Protokoll: "Wir denken täglich darüber nach, wie noch jemand in Arbeit geschoben werden kann." Und bevor das SUK/CDU-Konvolut zugunsten eines nichts Wichtiges enthaltenden SPD-Alternativantrags abgelehnt wurde, bekräftigte Fraktionsvorsitzender Jürgen Fenske noch einmal, dass mit inhaltlicher Politik in Kiel auf absehbare Zeit sowieso nicht zu rechnen ist: "Wir müssen zunächst den Haushalt konsolidieren, um wieder Spielräume für neue arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu schaffen."

Nach Ansicht der SPD-Ratsfrau Inge Lindner ist das Thema Korruption in Kieler Amtsstuben allenfalls im Rahmen "bedauerlicher Einzelfälle" aktuell. "Die Arbeitsgruppe zur Vorbeugung von Korruption", so ließ auch Stadtrat Erich Schirmer in einer geschäftlichen Mitteilung wissen, "hat die wesentlichen Aufträge abgearbeitet und tritt z.Z. nur bei Bedarf zusammen". Das wollen die Grünen ändern. Sie starteten eine Initiative zur Bekämpfung und "besseren Prävention" der Korruption (LinX berichtete) und fordern vom OB zur Novemberratsversammlung die Vorlage eines neuen Konzeptentwurfs. "Wir wollen nicht pauschal verurteilen", sagte der grüne Fraktionsvorsitzende Lutz Oschmann, aber "eine interne Behandlung des Themas reicht nicht aus". Oschmann machte in der Verwaltung ein "Geflecht von struktureller Korruption" aus, insbesondere anhand von mehreren Fällen nicht nachvollziehbarer Vergabepraxis städtischer Aufträge. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rüdiger Kirkskothen, wehrte sich gegen solche Vorwürfe. Zwar gebe es "beschränkte Ausschreibungen", dies aber "in die Nähe von Korruption zu rücken", sei falsch. Dennoch beschloss der Rat einstimmig den grünen und von der CDU ergänzten Antrag, wohl auch unter dem Eindruck einer Durchsuchung im Tiefbauamt wegen des Verdachts der Korruption, die am Tag vor der Ratsversammlung stattgefunden hatte.

Am Verkauf der Stadtwerke wird weiter fleißig gebastelt. Zwar ist der Komplettverkauf vorerst vom Tisch (LinX berichtete), aber die Ratsversammlung hatte in ihrer Septembersitzung beschlossen, den Verkauf von mindestens einer "qualifizierten Minderheit" von 25% plus einer Aktie (Sperrminorität) prüfen zu lassen. Bloß wer soll prüfen? Die Grünen beantragten nun die Bildung eines eigenen Ausschusses, der die Verkaufsverhandlungen (!) "inhaltlich begleiten" soll. Der Ausschuss soll nach einem von den Grünen übernommenen Ergänzungsantrag der SPD aus je einem/r Vertreter/in der Ratsfraktionen und des Betriebsrates sowie den VVK-Aufsichtsratsvorsitzenden bestehen. Die CDU kritisierte, dass es eines solchen neuen Ausschusses nicht bedürfe, schließlich sei der Hauptausschuss ohnehin in allen Fragen der städtischen Beteiligungsunternehmen zu hören. Allerdings ist der Hauptausschuss "ein zahnloser Tiger", wie nicht nur SUK-Chef Kottek meint. Auch der SPD-Ratsherr Albrecht Kempe hatte in einer Pressemitteilung den mangelnden Wirkungsgrad des Hauptausschusses beklagt. Interessant jedoch Kotteks Begründung gegen den neuen Ausschuss: In der Zukunft stünden sicher noch weitere Verkäufe von städtischen Beteiligungen an, dafür könne man nicht immer wieder eigene Ausschüsse bilden. Noch interessanter ist die Zustimmung der SPD zum Antrag der Grünen, der ihr offenbar sehr gelegen kam. Sie weiß sehr gut, dass ein kleinerer Ausschuss besser im Sinne rascher Verkaufsverhandlungen steuerbar ist. Der größte Klopfer dieser kurzen Beratung in der Ratsversammlung ist jedoch, dass die Grünen offenbar gar nicht merken, dass mit ihrer tatkräftigen Unterstützung aus dem Prüfauftrag für einen Verkauf ohne viel Federlesen ganz schnell laufende Verkaufsverhandlungen geworden sind. OB Gansel hat bereits 800.000 DM für "Beraterkosten" anlässlich des Verkaufs in den Nachtragshaushalt eingestellt, gemessen an den 100.000 DM, die die SPD beim Bau der Sporthalle in Russee glaubt unbedingt sparen zu müssen, eine erklekliche Summe. Dagegen opponierten CDU und SUK bei der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes vergeblich.

(jm)