Nächste Seite
Stadtwerke Kiel:

ver.di-Mitgliederversammlung

Nachdem die Konzernleitung der MVV (Mannheimer Energieversorger) am 2. November  den Kollegen der Stadtwerke Kiel angedroht hat, neben dem bereits beim Weiterverkauf der Stadtwerke beschlossenen 300 Stelleneinsparungen weitere 150 Arbeitsplätze einzusparen, ist die Stimmung unter den Kieler Stadtwerkern auf Null.  (Wir berichteten in den letzten Ausgaben der LinX 24-06 und 25/26-06) Weil die Bundesnetz-
agentur den Gewinn des Konzerns durch die Kürzung der Netzdurchleitungsgebühren schmälert, der Konzern und die Stadt Kiel aber nicht auf ihre Dividende verzichten wollen, sollen jetzt die Kollegen durch Arbeitsplatzabbau und Leistungskürzungen bluten.

Aus diesem Anlass fand am 18. Dezember bei den Kieler Stadtwerken in Hassee eine ver.di-Mitgliederver-
sammlung statt. Im folgenden der Bericht: Bericht von ver.di-Mitgliederversammlung der Stadtwerke Kiel am 18.12.2006 in Kiel-Hassee (sinngemäßes Protokoll v. Uwe Stahl, keine Gewähr für die genannten Zahlen. In den Klammern erklärende Worte)

• Es grüßt das zukünftige Hartz IV-Segelteam

• Halbierung der Belegschaft – eine Katastrophe für Kiel!

• MVV Top – SWK Flop!

• Starker Personalabbau – schwaches Management?

• Eigentum verpflichtet!

• Ist Dividende alles?

Mit diesen Schildern begrüßten ca. 700 anwesende Mitarbeiter der Kieler Stadtwerke das Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Farrenkopf des MVV-Konzerns und die Stadtvertreter. Die eingeladene Oberbürgermeisterin Kiels Frau  Angelika Volquartz hatte gekniffen und ließ sich durch den Dezernenten für Bürgeran-
gelegenheiten, Inneres und Ordnung Herrn Dieter Kurbjuhn vertreten.

Zur Stellungnahme waren desweiteren eingeladen:

• Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Farrenkopf des MVV-Konzerns und Aufsichtsratsmitglied.

• Die Aufsichtsratsmitglieder des Anteilseigners der Stadt Kiel Gerd Reimers (CDU) und Jürgen Hahn (SPD).

• Die Diskussionsleitung hatte Klaus Jans (ver.di).

• Zu einer Stellungnahme eingeladen war der verdi-Bundessekretär für Energiefragen und internationale Kontakte, Dr. Reinhard Klopffleisch.

• Die Abschlussstellungnahme hatte die Betriebsratsvorsitzende und Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat Barbara Neumann.

Die Versammlung richtete sich gegen den geplanten massiven Stellenabbau, der weit über das bisher vereinbarte Kontingent (wie im K.Group-Konzept vereinbart) hinausgeht und eine Reduzierung bis 2008 auf 680 und auf langfristig 600 Mitarbeiter (von jetzt ca. 1.300) vorsieht. Dieser Stellenabbau spiegele die Situation in der Branche wider, in der seit der Liberalisierung des Strommarktes etwa die Hälfte aller Arbeitsplätze weg gefallen sind. Gründe für den massiven geplanten Stellenabbau seien “einerseits die Senkung der  Netznutzungsentgelts durch die Bundesnetzagentur und andererseits der uneingeschränkte Fortbestand der Dividendenansprüche unserer  Anteils- eigner”. Durch eine starke Mitgliederpräsenz sollte deutlich gemacht werden, dass dies nicht mit den Kollegen zu machen ist.

Rote Karten

An die Versammlungsteilnehmer wurden rote Karten verteilt, damit sie ihren Protest sichtbar machen können. ver.di-Sprecher Klaus Jans erläuterte zunächst die Situation, dass aktuell wegen der Kürzung der Netznutzungsgebühren durch die Bundesnetzagentur zehn Millionen Euro fehlen, und der Konzern den Betrieb durch Umstrukturierungen bereits für den Markt von Morgen stark gemacht hat. Der Konzern will die Belegschaft bis 2010 auf 770 reduzieren, und hat nur darüber hianus einen weiteren Stellenabbau um 150 Mitarbeiter anegkündigt, die durch 50 sogenannte “Hochqualifizierte” ersetzt werden sollen.

Ausgliederungen in Share-Service-Gesellschaften finden statt und sollen zu Synergieeffekten führen. Investitionen wurden auf ein Drittel von 60-70 auf 20 Millionen pro Jahr reduziert. Alles mit Zustimmung der Stadt Kiel, die als Anteilseigner auch nicht auf die Dividende verzichten will. Der MVV-Konzern redet aber von “aktionärsfreundlicher Dividendenpolitik” und “Beteiligung der Mitarbeiter”, während der Gewinn um die Hälfte gestiegen ist. Die Mitarbeiter und der Betriebsrat befinden sich nun in der Zangenbewegung zwischen Bundesnetzagentur und Konzerneigner.

Es wurden nun Lösungsmöglichkeiten gesucht und die Kollegen sollten ihr Stimmungsbild dazu zeigen, durch die roten Karten und mit Diskussionsbeiträgen. Er freute sich auch über die Unterstützung durch Attac-Kiel, die zur Versammlung vor dem Betrieb ein Flugblatt des “Bündnis-Kielwasser” verteilt hatten und erklärte, dass er im wesentlichen mit den Standpunkten übereinstimmt.

Es folgte die Stellungnahme von Kurbjuhn (CDU), der den “Kurs Zukunft” der Stadt Kiel, in Verant-
wortung für die Energieversorgung beschrieb. Die Preise seien gestiegen unter anderem durch die Inflationsrate und die Wirtschaft fordert sinkende Energiepreise für wettbewerbsfähige Standortbedingungen. Bei den Gewinnerwartung (ehem. 49,2 Millionen Euro) sei wegen der sinkenden   Netznutzungsgebühren eine jährliche Lücke entstanden von zehn bis 19,2 Millionen Euro und nun müsse die Stadt pro Jahr auf fünf Millionen Euro Dividende verzichten. Das bedeutet mehr Schulden, bei einem derzeitigen Loch von 53 Millionen Euro im Haushalt steigt die Verschuldung von 350 auf 366 Millionen Euro. Die Stadt müsste 100 Arbeitsplätze bei der Stadt streichen, wenn sie auf die Dividende verzichten wollte und müsste mehr Geld für Fahrpreise, Parkgebühren und Kindergarten verlangen. Sie wolle dies nicht auf dem Rücken der zukünftigen Generation austragen und könne deshalb nicht auf die Dividende verzichten.

MVV-Konzern-Sprecher Hans-Jürgen Farrenkopf sprach klare Worte für den Konzern: Die MVV möchte das Geld verzinst haben und sie hätten “viel Geld in die Hand genommen”. Sie möchten es gut verzinst haben, um zukünftig Arbeitsplätze zu schaffen. Die Energielandschaft habe sich verändert und darauf müssen sie reagieren, z.B. weil das "Billing" freigegeben wurde. Nicht wirtschaftliche Arbeitsplätze könne sich der Konzern nicht leisten und die Kosten nicht an den Kunden weitergeben. Es wird auf alle Stadtwerke der Druck zunehmen, und darauf müsse man reagieren, sonst stünden die Kieler Stadtwerke vor einem Zusammenbruch. Er bezog sich auf die gute Zusammenarbeit von Betriebsrat und Vorstand, nur jetzt seien die Rahmenbedingungen total anders. Es gibt Vorstellungen, wie dies für die Belegschaft erträglich umgesetzt werden kann, aber der Personalabbau ist nötig, bis 2010.

Als Aufsichtsratsmitglied für die Stadt Kiel sprach Gerd Reimers (CDU): Er trage Verantwortung im Aufsichtsrat und es werden 20-30 Millionen Euro. investiert und 1,2 Milliarden Euro ins neue Kraftwerk. Wichtig sei ein starkes Management und er kommt von Hell. Er wolle nicht, dass die Stadtwerke das gleiche Schicksal erleiden und deshalb müsse vorgesorgt werden.Aufsichtsratsmitglied für die Stadt Kiel Jürgen Hahn (SPD) setzte sich dafür ein, dass alle Maßnahmen sehr sozialverträglich, “für sie persönlich nicht drastisch” ausfallen, aber der Arbeitsplatzverlust sei für Kiel unausweichlich. Kurzfristig sei er "mit viel Engagement" dabei.

Diskussion

Ein Betrag bezog sich auf die Fa. Hell und die Bedeutung des Wortes (Highway to Hell) für die zukünftige Perspektive der Stadtwerke. Auf der einen Seite wird die Hand für die Dividende aufgehalten und die andere schleppt die Anlagen raus. Gefragt wurde auch, warum denn jetzt gejammert wird, wo doch immer gesagt wird die Stadtwerke seien gut aufgestellt. Warum waren wir denn in der  Vergangen- heit immer so gut aufgestellt? Von Farrenkopf kam die Antwort. Das sind alles Maßnahmen für die Zukunft und nicht nur in Kiel, auch in Mannheim und Offenbach hat dies Auswirkungen. Schulten: Das hat sich sehr wohl schon bewährt, man sieht es an den Ergebnissen. Die Frage kam, ob mit weiteren Ausgründungen zu rechnen ist, wenn das so weiter geht, seien die Stadtwerke nicht mehr existierbar.  Auch darauf antwortete Farrenkopf: Die MVV ist auch für die Zukunft und es hat schon den Sinn, Synergien zu  ermöglichen, um auf dem Markt bestehen zu können. Mittlerweile würde der Konzern sogar mit dem Versicherungswesen  zusammenarbeiten, wo nebenbei eine Millionen Euro realisiert werden konnte. Die Kollegen bräuchten sich keine Sorgen machen, die Stadtwerke werden nicht  über- nommen. 49 Prozent sind weiter bei der Stadt Kiel. (Gelächter im Saal)

Frage: Beim Weiterverkauf in der Stadt hieß es, es wird keinen weiteren Abbau von Personal geben. Jetzt hat die Oberbürgermeisterin nicht einmal den Mumm hier aufzutauchen, sondern es werden heimlich Bewertungen durchgeführt, um weitere Anteile zu verkaufen.
Vom Vorstandsmitglied der Stadtwerke wurde erklärt, der Vorstand wolle keine weiteren Anteile verkaufen. Es ging um eine  Kapital- erhöhung der MVV und deshalb gab es eine Durchsicht und Prüfung durch die Finanzaufsicht.

Zur Frage “Wollen sie weitere Anteile verkaufen” antwortete erstaunlicherweise Jürgen Hahn folgendes: Das sei schwierig zu  beant- worten, weil es ja außer ihm noch mehr in der Ratsversammlung gäbe und wenn es Sinn macht, wäre er dafür weitere Anteile zu  ver- kaufen, aber nicht unter 25 Prozent. Das mache keinen Unterschied, was den Einfluss auf die Stadtwerke betrifft. Auf die Frage, ob dann nicht auch weniger Gewinn für die Stadt dabei raus kommt, antwortete er, “wir verschenken diese Anteile doch zum Wohle der Stadt” um Zinsen zu sparen. “Sie wissen ja nicht, was dahintersteht” sprach er mit kielbekannter SPD-Arroganz. Demgegenüber erklärte Gerd Reimers: Die CDU habe beschlossen, keine weiteren Anteile zu verkaufen.

Es gab mehrere Diskussionsbeiträge von den recht skeptisch dreinblickenden Kollegen. Es entwickelte sich eine Stimmung in der verschiedene Kommentare abgegeben wurden, z.B.,

• dass 100 Mitarbeiter der Stadt gegen die Stadtwerkekollegen ausgespielt werden sollen.

• Was das mit dem starken Partner auf sich hat, erleben die Kollegen täglich (durch die ständigen Veränderungen und Druck im Betrieb).

• Dass die Stadtwerker nicht die Schuld tragen an den geringen Steuereinnahmen der Stadt.

• Erst heißt es drei Jahre Wachstumskurs, dann heißt es Konzentration aufs Kerngeschäft und 450 Arbeitsplätze werden abgebaut. Das bringt auch Hartz-IV-Kosten für die Stadt: sechs Millionen Euro (gegenüber fünf Millionen Euro Dividende).

• Es wird immer gesagt, es gäbe Absicherung bis 2010. Das ist doch Galgenhumor.
Der Vorstand solle sich mehr den Kopf darum machen, wie die Arbeitsplätze erhalten werden. Das Firmenkonzept hat doch nur darauf gezielt, Arbeitsplätze einzusparen. Es legt nur fest, dass die Rendite akzeptabel ist, die jedes Jahr weiter steigen soll.

• Gefragt wurde auch, ob wirklich alle Maßnahmen vor dem Personalabbau geprüft wurden. Worauf Herr Grützmacher erklärte, dass bereits alle Sachkosten reduziert wurden und auch die Kürzung des LEV (Leistungsorientierter Verdienst) steht zur Debatte. Dividenden seien auch Leistungsbezogene Verdienste und Geschäftsführer hätten nur 90.000 Euro mehr erhalten.

Nach dieser für viele Kollegen sehr unbefriedigenden Aussprache folgte die Stellungnahme des ver.di Bundessekretärs Dr. Reinhard Klopffleisch. Die Stadt Kiel hat schon Anstrengungen gemacht beim Personalsparen. Auch andere Kostenbestandteile müssen geprüft werden und Städte könnten die Gewinne von Stadtwerken gut nutzen, um damit defizitäre Bereiche zu unterstützen. Wenn die  Rahmen- bedingungen sich aber ändern, müsse auch die Politik auf die Gewinne verzichten und  teilen.Für die Konzerne bringt die Regulierung, dass die Gewinne um fünf Prozent reduziert werden durch die Netzentgelte. Gewinnträchtige Bereiche im  Dienstleistungssektor müssen entwickelt werden, um qualifiziertes Personal zu halten. Zum Expandieren müssten wir die Leute qualifizieren und nicht entlassen.

Die Anreizregulierung (durch die Bundesnetzagentur) der Bundesregierung sind Knebel, gegen die man politisch kämpfen muss. Die Maßnahmen, die vom Bund kommen sind eine Katastrophe. Gemeinsam haben wir verloren (Anteilseigner und Beschäftigte). ver.di will gemeinsam kämpfen, damit es nicht so schlimm wird, obwohl die Weichen von der Bundesregierung gestellt sind. Massendemos in Berlin zusammen mit den Anteilseignern sollten stattfinden. Bundes- und Landespolitik brauchen die Aktionen der Bürgermeister.
Was bedeutet es für die kommunalen Dienstleistungen: Enteignung der Kommunen. Die Anreizregulierung darf nicht so durchgezogen werden, und wir müssen gemeinsam um die Arbeitsplätze in der Kommune kämpfen.

Zum Schluss sprach die Betriebsratsvorsitzende Barbara Neumann und bezog sich auf das zwischen Stadt und Konzern vereinbarte (K.Group-)Konzept, in dem bereits die bisherigen Personaleinsparungen festgelegt und von der Stadt mit getragen wurden, und fand es zynisch jetzt 100 Stadtwerker gegen 100 Beschäftigten der Stadt auszuspielen, wo es doch das gleiche Management-Niveau hat. Abgebaute Arbeitsplätze verhindern keine Schulden.

Erwähnt wurde noch, dass der Konzern bestimmte Bereiche an Billiganbieter vergeben will. Dies sei Tarifflucht. Schon jetzt ist der TVV auf dem untersten Niveau und die Stadtwerker der MVV sind nicht die Bestverdienenden. Weitere Senkungen wie sie im SWK 2015 be- absichtigt sind, hat der Betriebsrat nicht zugestimmt. Bislang sind es nur 200 Mitarbeiter, die die Absicherung nicht erhalten. Weitere Personalkostensenkungen will der Betriebsrat nicht mit tragen.

Die Stadt Kiel muss die Verantwortung für Arbeitsplätze und Humankapital tragen. Die Stadtwerke Kiel sind nicht börsenorientiert. Was die großen Vier (Konzerne) treffen sollte, trifft aber nun die Kommunen. Wo sind da die kommunalen Verbände und ihr Engagement gegen die Auswirkungen der Bundespolitik (durch die  Bundesnetzagentur).

Noch sind die Kollegen friedlich, aber das kann sich ändern. Sie appellierte an die Beschäftigten bei ver.di Mitglied zu werden, weil härtere Auseinandersetzungen bevorstehen. Reimers versuchte noch die Tätigkeit der Politiker zu entschuldigen und erwähnte die vielen Briefe, die die OB an die Bundesregierung geschrieben haben soll. Die Antworten, die sie bekommen habe, seien "nicht nachvollziehbar". Keiner habe einen Begriff davon, welche Auswirkungen “das” auf die 200 Stadtwerke in Deutschland hat.

(uws)
Aus der MVV-Bilanz:
 
Geschäftsjahr
2004/05
2005/06
Beschäftigte 
6449 
6338
Gewinn vor Steuern und Zinsen in Millionen
Euro
158 
201

Die MVV möchte das Geld verzinst haben und sie hätten “viel Geld in die Hand genommen”. Nach den auf der MVV-Internetseite  ver- öffentlichten Bilanzzahlen erzielte der Konzern im Geschäftsjahr 2005/06 eine Rendite (vor Steuern, nach Zinsen auf Schulden) von rund 15 Prozent auf das eingesetzte Eigenkapital.