Ökologie

Agro-Konzerne gefährden Welternährung

Patente auf Haustiere, Nutzpflanzen, menschliche Gene gar, die den Inhabern ein Monopol auf die kommerzielle Nutzung sichern? Den meisten Menschen schaudert es bei diesem Gedanken und doch sind die großen Chemie-, Biotechnologie- und Agrokonzerne dabei, über die Regierungen der Industriestaaten und Institutionen wie die Welthandelsorganisation WTO und die EU genau das im nationalen und vor allem internationalen Patentrecht festzuhalten. In der EU wurden mit einer Umsetzungsrichtlinie der Brüsseler Kommission im September 1999 die Voraussetzungen für die Patentierung von Lebensformen geschaffen. Auf globaler Ebene gibt es bereits seit 1995 entsprechende Regelungen im WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS).

Wegen der Vielzahl der seinerzeit in der Uruguay-Runde, die zur WTO-Gründung führte, verhandelten Themen blieb dieses Abkommen allerdings von der internationalen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet. Auch die Entwicklungsländer, die den größten Schaden hätten, sollte sich eine solche Rechtsprechung tatsächlich international durchsetzen, begannen erst im Nachhinein zu ahnen, was sie da unterschrieben hatten. Nicht von ungefähr forderten sie daher im Dezember letzten Jahres auf der WTO-Konferenz in Seattle eine Revision des TRIPS-Abkommens. Die EU- und US-Vertreter hielten es allerdings nicht einmal für nötig, sich zu diesem Anliegen zu äußern, sondern ließen bei den entscheidenden Verhandlungen die afrikanischen Länder, die am vehementesten die Überarbeitung der Patentvereinbarungen forderten, vor der Tür.

Das katholische Hilfswerk Misereor legte dieser Tage ein Positionspapier vor, das in leicht verständlicher Form einen Überblick über die Problematik gibt und mit Nachdruck die Position der Länder des Südens - oder genauer: der dortigen Kleinbauern - vertritt. Vor allem die seien es, so die Autoren, die unter dem internationalisierten Patentrecht zu leiden haben würden. Während die großen Agrokonzerne aus dem Norden über genügend Finanzmittel und Heerscharen von Juristen verfügen, können es sich Kleinbauern in Indien, Brasilien oder auf den Philippinen (natürlich) nicht leisten, Patentgebühren zu bezahlen, oder gar Anträge bei Streitigkeiten zu verteidigen. Davon abgesehen sei das über Generationen erworbene kollektive Wissen bäuerlicher Gemeinschaften um lokale Sorten und Anbaumethoden kaum geeignet, vom individualisierten, für die modernen Industriegesellschaften geschaffenen Patentrecht geschützt zu werden.

Die Befürchtungen der Kritiker des TRIPS-Abkommens - die von den Autoren geteilt werden - gehen daher zum einen dahin, dass der so genannten Biopiraterie Tor und Tür geöffnet wird. D.h. es wird damit gerechnet, dass US-amerikanische und europäische Multis Patente auf Saatgut oder auch Heilpflanzen anmelden und versuchen, diese dann international durchzusetzen. Die ersten Präzedenzfälle aus den USA sind bereits bekannt und werden in der Broschüre zitiert.

Zum anderen sind die Autoren wie viele Aktivisten und Bauernverbände aus dem Süden besorgt, dass der weiteren Kommerzialisierung der Landwirtschaft Vorschub geleistet wird. Noch wird vieler Orts das Saatgut von der Ernte abgezweigt und von den Bauern untereinander getauscht. Werden die Bauern aber erst einmal dazu gebracht, dass patentierte Saatgut der großen Anbieter zu verwenden, dann werden sie für jede Aussaat neues kaufen müssen, da die kommerziellen Produkte entweder sowieso unfruchtbar sind, oder aber vertraglich die Wiederaussaat verboten ist. Aus Indien berichtete die Frauenrechtlerin und Umweltschützerin Vandana Shiva bereits im Juni letzten Jahres auf einer internationalen Tagung in Köln von ersten Prozessen amerikanischer Saatgutmultis gegen Kleinbauern.

Die Folge ist, dass die Bauern in Abhängigkeit und Verschuldung geraten. Und wie zuvor in den Industrieländern wird dieser Prozess zu einem massenhaften Bauernlegen führen, das in Ländern wie Mexiko oder den Philippinen längst eingesetzt hat. Nur dass in diesen Staaten zumeist keine Industrien vorhanden sind, in denen die von ihrem Land Vertriebenen Arbeit finden könnten. Ohne Einkommen aber werden jene, die sich vorher selbst ernähren konnten, in den Hunger getrieben. Misereor befürchtet daher, dass die Zerstörung der bäuerlichen Subsistenzwirtschaften durch die WTO-Verträge die weltweite Ernährungssicherheit massiv gefährden und das Heer der jetzt schon 800 Millionen hungernden Menschen weiter vergrößern wird.

(wop)

Die Broschüre "Patente auf Leben und die Bedrohung der Ernährungssicherheit - Eine christliche und entwicklungspolitische Perspektive" kann bestellt werden bei: Misereor e.V. Abteilung Entwicklungspolitik, Postfach 1450, 52015 Aachen, Fax 0241-442505, Email: nilles@misereor.de. Es wird um eine Spende von 5 DM plus Versandkosten gebeten.

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