Aus dem Kieler Rat

Stadtwerke: Privatisierung gefährdet die Demokratie

"Mit der SPD wird es kein Verscherbeln irgendeiner städtischen Beteiligung geben." Man mochte nicht so recht seinen Ohren trauen. Der das von sich gab war kein Geringerer als der Chef der SPD-Ratsfraktion Jürgen Fenske, der gerade im Rathaus den Verkauf eines Aktienpakets der Stadtwerke vorbereitet, bzw. seinem Oberbürgermeister dafür den Rücken frei hält. Mindestens 25,1%, d.h. eine Sperrminorität, soll an einen der großen Monopolisten veräußert werden, aber schon heißt es von allen Seiten, es darf auch ein bisschen mehr sein (LinX berichtete).

In der Belegschaft des städtischen Energieversorgers, deren Vertreter dem Teilverkauf im Prinzip zugestimmt haben, sorgt das für einige Unruhe. Die ÖTV hatte daher am 17.5. in die Pumpe zu einer Diskussionsveranstaltung geladen, um die Lage unter dem Titel "Was kostet die Privatisierung den Kieler Bürger?" zu diskutieren. Auf dem Programm stand auch die geplante Gründung einer Theater GmbH. Geladen waren die Fraktionschefs der Ratsparteien, die vom Podium herab mit rund 150 Gewerkschaftern und Interessierten diskutierten.

Es war die Stunde der Demagogen. Vor der Liberalisierung des Strommarktes, so CDU-Fraktionsvorsitzender Arne Wulff, waren die Stadtwerke-Tarife monopolistisch und damit undemokratisch: "Den Markt halte ich für wesentlich demokratischer, als was vorher war." In sehenswerter Einmütigkeit sangen Fenske und Wulff das hohe Lied der Privatisierung und Globalisierung, die so der SPDler, "Deutschland schließlich auch viele Arbeitsplätze" gebracht habe. "Wer baut denn in Bangkok und anderswo die Flughäfen?", fragte er vielsagend. Den Vogel schoss wie üblich der SUK-Chef Wolfgang Kottek ab, der meinte, die Ratsversammlung könne gar nicht die Verantwortung für die Stadtwerke übernehmen. Im übrigen sei er ja selbst auch nur ein betroffener Bürger.

Vertreter der Kieler ÖTV forderten hingegen, dass das "Primat der Politik" wieder hergestellt werden müsse und die Ratsversammlung die Kontrolle nicht abgeben dürfe. Betriebswirtschaftlicher Nutzen müsse sich dem volkswirtschaftlichen Nutzen unterordnen, ein Ausverkauf dürfe nicht stattfinden. Der grüne Fraktionsvorsitzende Lutz Oschmann machte dagegen darauf aufmerksam, dass es etwas blauäugig sei, anzunehmen, dass ein potenter Investor bei den Stadtwerken einsteigen würde, ohne auch Einfluss zu nehmen. Seine Partei habe als einzige gegen den 25,1%-Beschluss gestimmt. Man bekenne sich jedoch zum Wettbewerb, in dem die Stadtwerke nach Ansicht der Grünen durchaus alleine bestehen könnten. Der ÖTV-Vertreter Hoffmann stellte den Stadtwerkeverkauf in den Kontext einer allgemeinen Privatisierungswelle, die letztlich die Reste demokratischer Mitbestimmung in städtischen Unternehmen immer weiter zurückdränge. Demokratie bedeute hingegen, einen öffentlichen Wirtschaftssektor zu fördern, statt ihn zurückzudrängen, weil nur dies einen Einfluss erhalte, mit dem man Privatwirtschaft zu etwas zwingen könne, "was die partout nicht will". Arne Wulff hatte für "solche Klassenkampfparolen kein Verständnis". Für Jürgen Fenske war der Vorwurf, die Ratsversammlung gefährde mit ihrer "alternativlosen Politik" die Demokratie, "starker Tobak". Die Privatisierung habe "den Bürgern etwas gebracht. Die Entschuldung der öffentlichen Haushalte schafft Arbeitsplätze."

Das Gegenteil ist der Fall. So wurde in der Diskussion von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, dass mit der Privatisierung auch ein erheblicher Gehaltsabbau verbunden sein wird. Besonders Frauen würden darunter zu leiden haben, meinte eine Vertreterin aus dem städtischen Krankenhaus, die deutlich machte, dass die zusätzliche Altersversorgung gefährdet würde. Insgesamt war die Stimmung unter den Zuhörern sehr aufgebracht, allerdings auch hilflos. Am Rande war zu erfahren, dass man unter den Stadtwerkern so diskutiert, dass man keine zu spektakulären Proteste wolle, damit die Verkaufsverhandlungen nicht gefährdet würden.

Dennoch haben die GewerkschafterInnen offenbar verstanden, dass es nicht nur um die Stadtwerke geht, sondern dass deren Verkauf nur ein weiterer Schritt auf dem vom Rat eingeschlagenen Weg totaler Deregulierung ist. So waren unter den Zuhörern und Mitdiskutanten erstaunlich viele ArbeitnehmerInnen aus dem Theater. Den Bühnen droht eine, wie Fenske es nennt, "unechte Privatisierung". Wie Kulturdezernent Rethage kürzlich mitteilte, empfiehlt eine Expertenkommission die Umwandlung in eine GmbH, die gleichwohl weiter unter städtischer Ägide verbleibt (LinX berichtete). Die Theaterleute ließen sich jedoch nicht von Fenskes und Wulffs Behauptung täuschen, es ändere sich doch lediglich die Rechtsform, sonst nichts. Vielmehr befürchten die ArbeitnehmerInnen via GmbH-Gründung aus den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes gedrängt zu werden. Fenske leugnete derartige Absichten, musste sich aber vom Theater-Betriebsrat Holger Rudnik darauf hinweisen lassen, dass man die Absicht, das Tarifgefüge des öffentlichen Dienstes zu verlassen, im Vertrag zur Privatisierung der Alten- und Pflegeheime sogar nachlesen könne.

Holger Rudnik war es auch, der den Privatisierungswahn der Ratsversammlung auf einen schönen abschließenden Nenner brachte. In Zukunft werde man wohl aus dem Rathaus hören: "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, aus betriebswirtschaftlichen Gründen können wir uns Demokratie leider nicht mehr leisten."

(wop, jm)

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