Widerstand gegen IWF und Weltbank

Weltbank/IWF-Gipfel in Prag:

Schwere Vorwürfe gegen tschechische Polizei

Über 800 Festnahmen lautet die Bilanz, die die Prager Polizei nach den Protesten gegen Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) zieht. Noch während Weltbankpräsident Wolfensohn und IWF-Chef Köhler auf der Abschluss-Pressekonferenz am Donnerstag letzter Woche der tschechischen Polizei "für ihre gute Arbeit" dankten, wurden in der Innenstadt erneut Menschen festgenommen, die mit einem Sit-in vor dem Innenministerium die Freilassung ihrer Freunde gefordert hatten.

Was die ersten, die am gleichen Tag nach fast 48 Stunden entlassen wurden, zu berichten hatten, lässt den Dank der Chef-Banker besonders zynisch erscheinen. Da ist z.B. Birgit, eine deutsche Studentin, die sich vor kurzem an der Prager Universität für ein Gastsemester eingeschrieben hatte. Am Dienstagabend gegen 23 Uhr war sie auf dem Weg zu ihrer Wohnung am Wenzelplatz. In der Nachbarschaft war gerade ein McDonald-Laden entglast worden. Polizisten versperrten ihr den Weg, also versuchte sie durch eine Seitenstraße nach hause zu kommen. Es sollte mehr als 30 Stunden dauern: Kaum war sie um die Ecke gebogen, da riegelten Polizisten beide Straßenenden ab. Sämtliche Menschen, die das Pech hatten, sich in diesem Polizeikessel zu befinden, wurden festgenommen. Auch Birgit und ihr Freund, die sich an keinem der Proteste beteiligt hatten. Ebenso zwei italienische Touristen, die gerade aus einem Restaurant kamen. Den einen von ihn beschreibt Birgit als "modisch durchgestylt".

Die junge Regensburgerin war eine der ersten aus dieser Gruppe, die am Donnerstagmorgen wieder frei kam. Ihr Freund, saß auch am Abend des gleichen Tages, fast 48 Stunden nach seiner Festnahme, noch im Arrest. "Zu keiner Zeit hat man uns den Grund der Festnahme genannt. Wenn ich nicht ein bisschen tschechisch verstünde und für die anderen hätte dolmetschen können, hätten wir uns nicht einmal verständigen können." Erst Donnerstag in den frühen Morgenstunden habe es zum ersten Mal eine Vernehmung gegeben und die Gelegenheit, einen Dolmetscher zu bekommen.

"Während der 30 Stunden wurden wir zwei Mal verlegt. Die Polizisten beim Transport waren die schlimmsten", berichtet die 23jährige. Etwa acht Stunden habe sie mit drei Frauen in einem maximal zwei Quadratmeter großen Raum zubringen müssen. Bei einem der Transporte sei sie von einem Polizisten ins Gesicht geschlagen worden. Den festgenommenen Männern erging es noch schlimmer: Sie habe aus dem Transportbus heraus sehen können, wie sie getreten und geschlagen wurden. "Viele von ihnen haben gewimmert, als sie in den Wagen stiegen. Offensichtlich hatte man sie zusammengeschlagen."

"Wir haben immer wieder gesagt, dass wir telefonieren wollen, aber die Antwort war nur 'Später', erinnert sich die Studentin. Die Verweigerung von Kontaktaufnahme scheint durchgängig gewesen zu sein, wie Sprecher des Anti-Gipfel-Bündnisses INPEG berichten. Auch Jens aus Göteburg in Schweden hat ähnliches erlebt: "Bei uns hieß es nur, dass hier ist ein Not-Gefängnis, da gibt es kein Telefon." Mehrere seiner Mitgefangenen hätten ausdrücklich verlangt, ihre jeweilige Botschaft anrufen zu können, aber auch das wurde verweigert. Einige Botschaften, wie die norwegische oder die spanische wurden allerdings von sich aus aktiv. Nur der deutsche Botschafter hat sich nach Aussagen deutscher Aktivisten hier nicht bzw. nur sehr zögerlich um seine Bürger gekümmert.

Jens war ebenfalls am Dienstagabend verhaftet worden: "Wir hatten mit einer Gruppe von vielleicht 12 oder 15 Leuten an der Karlsbrücke gesessen und Bier getrunken. Als wir uns auf den Weg machten, wurden wir nach einigen hundert Metern auf einmal von Polizisten in schwarzen Uniformen und mit Gesichtsmasken umstellt und sofort auf den Boden geworfen." Auch er kam erst nach über 30 Stunden wieder frei. "In den Gefängnis, in dem ich war, habe ich vielleicht 150 Menschen gesehen. Fast alle, mit denen ich sprach, waren in ähnlichen Situationen festgenommen worden, d.h. ohne irgendeinen Anlass geliefert zu haben."

Auch hier keine Angaben zum Grund der Festnahme und Dolmetscher erst nach 24 Stunden. Bei derEinlieferung mussten sich die Festgenommenen mit gespreizten Armen und Beinen an die Wand stellen. Bis zu zweieinhalb Stunden, erinnert sich Jens. Zehn Stunden nach seiner Freilassung zittert er noch immer am ganzen Körper, als er von seinen Erlebnissen berichtet. "Die ganze Situation war sehr bedrohlich, sie haben sich alle Mühe gegeben, uns Angst zu machen." Einige Polizisten haben sich mit einem tschechischen Punk den Spaß gemacht, ihn zu zwingen, immer weiter mit den Beinen von der Wand abzurücken. Wenn er hinfiel, wurde er mit Hieben und Tritten gezwungen aufzustehen, und das "Spiel" wiederholt.

Eine 18jährige finnische Mitgefangene, berichtet Jens, wurde in einen separaten Raum geführt und gezwungen, sich vollkommen auszuziehen. Mindestens zwei männliche Polizisten waren dabei anwesend. Anschließend habe man sie gezwungen, zu hüpfen. Im INPEG-Büro hat man von einer ganzen Reihe solcher Fälle gehört.

Noch schlimmer ist es einer österreichischen Aktivisten ergangen. Sie wurde geschlagen und über den Boden geschleift, berichten ihr Freunde. Als sie schließlich verhört wurde, hat sie den psychischen Druck nicht mehr ausgehalten und ist aus dem Fenster im zweiten Stock gesprungen. Nach Angaben ihre Freunde hat sie sich dabei eine komplizierte Fraktur im Bein und eine Verletzung an der Wirbelsäule zugezogen. "Im Krankenhaus hat man ihr längere Zeit Schmerzmittel verweigert" , berichtet Sergio vom People's Global Action Netzwerk, der sie besuchen konnte. "Sie hat uns erzählt, dass auf dem Weg ins Krankenhaus Polizisten noch an ihrem Bein geschüttelt und gedreht hätten und ihr gesagt haben, dass sei alles ihre eigene Schuld." Freitagabend wurde sie gegen ihren Willen in ein österreichisches Krankenhaus verlegt. "Dabei hat man sie, trotzt ihrer Rückenverletzung auf einer Bahre über Kopfsteinpflaster gefahren, so dass sie vor Schmerzen schrie" , meint Sergio.

Ebenfalls am Freitag kam der größte Teil der bis dahin noch inhaftierten Ausländer frei und wurde entweder direkt an die Grenze gefahren oder mit einem 24-Stunden-Visum nach Prag entlassen. Mehrere 100 ausländische Gefangene waren in ein Gefängnis nach Bukovà in der Nähe von Pilsen gebracht worden. Von den Freigelassenen, die am Freitag nach Prag zurückkehren konnten, hatten viele gebrochene Nasen oder andere Kopfverletzungen, die ihnen im Gefängnis zugefügt wurden. Auch Tränengas soll nach ihren Berichten dort gegen sie eingesetzt worden sein.

Einige osteuropäische Demonstranten waren auch am Wochenende noch nicht frei. Vor der tschechischen Botschaft in Berlin gab es daher am Montag eine Protestkundgebung. Die deutschen Betroffenen wollen sich über eine homepage koordinieren (www.deutschundseltsam.de). Das Team tschechischer Demonstrations-Beobachter oph ist über www.oph.cz zu erreichen.

(wop)


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