Widerstand gegen IWF und Weltbank

IWF/Weltbank in Prag:

Erfolg oder Misserfolg?

Über ein Jahr hatte sich die tschechische Initiative gegen ökonomische Globalisierung (INPEG) auf die Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) vorbereitet. Ein Gegenkongress sowie eine Demonstration zum Auftakt des Bankertreffens wurden organisiert, zu denen Tausende aus aller Welt kamen. LinX sprach mit einer der INPEG-Sprecherinnen, Alice Dvorskà. Die 21 jährige Chemie-Studentin kommt aus Brno und gehört der Tschechoslovakischen Anarchistischen Föderation an.

(wop)

LinX: Waren die Proteste gegen Weltbank und IWF ein Erfolg?

Alice Dvorskà (AD): Teils, teils. Der Gegengipfel, der Karneval, die verschiedenen Happenings und Kulturereignisse waren hundertprozentige Erfolge. Was die eigentliche Demonstration angeht, die sich in verschiedene Marschsäulen aufgespaltet hatte, so war zumindest der gelbe Marsch, bei dem es keine Gewalt gab, ein Erfolg. Der war von den Ya Basta-Leuten aus Italien sehr gut organisiert worden.

Was die Gewalt angeht, finden wir es natürlich nicht gut, wenn die Polizei angegriffen wird. Die Frage ist allerdings, wieviele es überhaupt waren. Wir haben nämlich auch viele Polizisten gesehen, die sich beteiligt haben, d.h. Provokateure.

Ich persönlich kann allerdings auch diejenigen verstehen, die zurückschlagen, wenn sie von der Polizei angegriffen werden.

Neben vielen anderen Gewerkschaften v.a. aus Westeuropa war auch die norwegische Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes vertreten.

Stoppt die Diktatur des IWF! Stoppt IWF und Weltbank! (Fotos: wop)

LinX: Wie schätzt du die Stimmung in der tschechischen Bevölkerung ein?

AD: Ich glaube, 99% der Bevölkerung sind jetzt gegen uns, weil die Medien die Ereignisse verzerrt haben. Während über den Gegengipfel oder unseren Karneval fast gar nicht berichtet wurde, bringen sie jetzt Detailbeschreibungen von gebrochenen Polizistennasen und Ähnliches. Auf unsere Pressekonferenz über Polizeibrutalität in den Gefängnissen gab es überhaupt keine Reaktion.

LinX: Die tschechischen Medien haben darüber nicht berichtet?

AD: So gut wie nicht. Manchmal zwei, drei Zeilen. Das Einzige, was publik gemacht wurde, sind die Videos von Polizeiprovokateuren, die Fensterscheiben zerschlagen haben und dann durch die Polizeiketten gegangen sind, indem sie ihre Ausweise zeigten. Das hatten auch einige Journalisten gesehen, also musste man uns glauben. Aber über die Gewalt in den Gefängnissen wurde fast gar nicht berichtet.

LinX: Was ist denn passiert in den Gefängnissen? Kann man davon ausgehen, dass systematisch Gewalt angewendet wurde?

AD: Im Falle der Ausländer kann man das wohl sagen. Tschechen wurden hingegen weitgehend verschont nach unseren Informationen. Es gab haufenweise Leute mit gebrochenen Nasen, mit zerschlagenen Köpfen. Viele bekamen kein Wasser und Essen, einige wurden am Schlafen gehindert, andere mussten draußen in der Kälte schlafen. Auch von Tränengaseinsätzen in geschlossenen Räumen berichten Freigelassene.

LinX: Gebrochene Nasen in den Gefängnissen, d.h. nicht bei der Festnahme?

AD: Ja. Freitag kamen z.B. hier 30 Leute an, Ausländer, die im Gefängnis in Balkovà bei Pilsen gewesen waren. Spanier, Israelis, Deutsche und andere. Viel von ihnen hatten gebrochene Nasen, weil ihre Köpfe im Gefängnis an die Wand oder an Tische geschlagen wurden und im Olsansk-Gefängnis hier in Prag mussten sieben Leute mit über dem Kopf gefesselten Händen 20 Stunden mit dem Gesicht zur Wand stehen. Einer Norwegerin wurden dort die Beine gebrochen und anschließend die "ärztliche" Versorgung verweigert.

LinX: An den Demonstrationen in Prag waren sehr wenig Tschechen beiteiligt. Weder hiesige Gewerkschaften waren vertreten, noch waren einfach Arbeiter zu sehen, obwohl doch aus anderen Staaten wie Norwegen, Griechenland oder Italien sehr viele angereist waren. Und das obwohl die hiesige soziale Lage alles andere als rosig ist.

AD: Die tschechischen Gewerkschaften machen fast gar nichts. Einmal hatten sie eine Großdemonstration wegen der Anhebung der Steuern und sozialer Probleme, aber das war auch alles in den letzten zehn Jahren. Es gibt einige Gewerkschaften, die etwas radikaler sind, wie die Eisenbahner oder die Landarbeiter, aber die haben sich auch nicht beteiligt. Dafür sind Vertreter der kanadischen Postgewerkschaften nach Prag gekommen, um hier zu demonstrieren.

LinX: Habt ihr im Vorfeld Kontakte zu den Gewerkschaften gehabt?

AD: Wir haben es versucht, aber ohne Erfolg.

LinX: Welche Bedeutung haben IWF und Weltbank für die Tschechische Republik?

AD: Eigentlich nicht soviel. Der IWF hat der damaligen Tschechoslovakei einen Kredit von 3,9 Mrd. Kronen (200 Mio. DM nach heutigem Kurs) gegeben, danach aber keinen mehr. Der war natürlich auch mit einem entsprechenden Strukturanpassungsprogramm verbunden, aber inzwischen ist das Geld längst zurück gezahlt. Aber auf die Umgestaltung der Wirtschaft nach 1989 hatte der IWF eigentlich wenig Einfluss, dass war eher unsere eigene Regierung.

Von der Weltbank hat es Kredite für ökologische Energiegewinnung gegeben. Zwei Fünftel dieses Geldes wurden für das AKW Temelin eingesetzt.

LinX: Aber immerhin findet ja - auch im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt - eine schleichende Strukturanpassung statt. Wie sieht die konkret aus?

AD: IWF und Weltbank haben vor einem dreiviertel Jahr der Regierung geraten, dass die Mehrwertsteuern erhöht, das Rentenalter hochgesetzt und Sozialausgaben gestrichen werden sollten. Aber das ist noch alles in der Diskussion.

Die andere Seite ist natürlich, dass die Grenzen für ausländisches Kapital und Waren geöffnet werden, dass die tschechischen Landwirte und die Lebensmittelindustrie Probleme haben, weil Importwaren billiger sind und sie kaum Subventionen bekommen. Stattdessen hat der Minister für Industrie und Handel gerade angekündigt, dass es für ausländische Investoren einen Steuernachlass geben soll.

LinX: Was haben die Aktionen hier für die tschechische Linke gebracht? Geht sie gestärkt daraus hervor?

AD: Ich denke schon. Wir haben neue Leute gewonnen, man hat gesehen, auf wen man sich verlassen kann und wer nur redet, wir haben viele internationale Kontakte bekommen, viel gelernt über die Situation in anderen Ländern und Erfahrungen gemacht. Auch unter den beteiligten Gruppen ist das Verhältnis durch die Zusammenarbeit deutlich besser geworden.


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