Aus dem Kieler Rat

Kieler Haushalt 2001: Gansel will weiter sparen

"Alle haben gesündigt!"

Wenn OB und Kämmerer Norbert Gansel seinen Haushaltsentwurf verteidigt, sogar gegenüber der Fraktion, die ihm gewöhnlich marionettenhaft die gewünschten Mehrheiten im Rat verschafft, aber derzeit allzu bockig ist, dann spart er nicht mit Pathos. Vom "Verrat an den neuen Generationen" redet er dann gern, den eine weitere Verschuldung bedeute. Schulden sind für Gansel eine Schuld: "Wir haben gesündigt, alle haben gesündigt", wirft er den Mitgliedern der Ratsversammlung in seiner Haushaltsrede am 14.12. vor. Und dagegen helfe nur weiter Sparen, Sparen, Sparen.

Nichts Neues also. Wenn Haushaltsreden immer auch Statements über mittel- und langfristige Ausrichtung der Politik sind, so ist die bei Gansel so konzept-, fantasie- und perspektivlos wie in den letzten Jahren. Außer Haushaltskonsolidierung hat Gansel keine Ziele. Politikunfähigkeit auf ganzer Linie. Umso härter kommt es den Kämmerer an, dass er für den Verwaltungshaushalt 2001 ein Defizit von Einnahmen gegenüber Ausgaben in Höhe von 5,8 Mio. DM und für den Vermögenshaushalt einen Brutto-Kreditbedarf von 70,9 Mio. vermelden muss, auch wenn die Zahlen im endgültig mit den Stimmen von SPD und SUK am 15.12. beschlossenen Haushalt etwas niedriger ausfallen (Defizit 4,6 Mio., Brutto-Kreditbedarf 69,3 Mio.). Das Tafelsilber (KWG, Stadtwerke) ist verkauft, ohne das wäre der Haushalt so defizitär, dass er nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Genau das macht Gansel Sorgen, denn nun gibt es nichts mehr zu verkaufen, um die Verschuldung der Stadt (derzeit rund 750 Mio. DM) und damit die Zinsausgaben zu senken. Die werden, so rechnet Gansel vor, in 2002 auf 5 Mio. steigen, "so viel wie eine Turnhalle".

"Wir sind noch nicht über den Berg", befürchtet Gansel. "Ich habe die Sorge, dass die Ausgabendisziplin in der Ratsversammlung nachlässt." Dies richtet er vor allem an die SPD-Fraktion, die diverse Posten, die Gansel wegsparen wollte, wieder in den Haushalt eingestellt hat. Gansel hätte es beim Sparen gerne eine Nummer härter gehabt. Dennoch wehrt er sich gegen Vorwürfe des "Totsparens". "Es gibt kein Spardiktat, das kann es auch nicht geben, denn schließlich entscheidet über den Haushalt die Ratsversammlung." Gegen deren Beschlüsse, so droht Gansel, will er aber zur Not angehen, denn laut Gemeindeordnung stehe der OB "in der Pflicht, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen". Besonders die Sporthalle Russee hat Gansel dabei im Blick. Mittel für deren Bau hat die SPD nun nach drei Jahren Streit und gegen den Wunsch des Kämmerers in den Haushalt 2001 eingestellt.

Kein Totsparen? Den Rückgang der Ausgaben für Sozialhilfe verbucht Gansel als Erfolg. "Wir haben keine Sozialleistung abgebaut. Ich habe mehrfach versucht, das Sozialticket (ÖPNV-Karte für SozialhilfeempfängerInnen) zu streichen, bin dabei aber immer an der Ratsversammlung gescheitert." Der Rückgang sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass man SozialhilfeempfängerInnen zu "gemeinnütziger Arbeit" (Zwangsarbeit) heranziehe und dass man den Schulabgängern klar gemacht habe, "dass es keine Hängezeit in der Sozialhilfe gibt". Den abschreckenden Effekt solcher Maßnahmen, zustehende Rechte wahrzunehmen, wenn ein Bedürftiger seine Bedürftigkeit potenziell als Missbrauch und Schmarotzertum dargestellt sieht, nennt Gansel allerdings nicht.

Dass das Sparen im Sozialetat bereits am Anschlag ist, weiß Gansel. Nächstes Opfer seines Sparwillens sollen daher die Personalausgaben sein. Der mit 34% (367 Mio. DM) größte Posten im Haushalt ist ihm ein Dorn im Auge. Als geschickter Demagoge interpretiert Gansel die Stellenstreichungen so: "Ein privates Unternehmen, das wie wir ständig rote Zahlen schreibt, würde als erste Priorität setzen, die steigenden Löhne und Gehälter durch Reduzierung des Personals abzufangen. Das müssen wir auch. Wenn wir diese Tarifsteigerungen abfangen können, dann ermöglichen wir sie auch." Diesen Appell der Entsolidarisierung der Stellenbesitzer und derer, die um ihren städtischen Arbeitsplatz fürchten müssen, richtet Gansel explizit an den Personalrat. Als Modellfall schwebt ihm dabei die Initiative von Stadtbaurat Klein-Knott vor, der sein Dezernat im Rahmen von "natürlicher Fluktuation" (sprich: wer kündigt, in Rente oder Pension geht, dessen Stelle wird nicht wiederbesetzt). So will Gansel "gegen die Tariferhöhungen ansparen", rund 50 Mio. DM in den nächsten Jahren. "Das schafft zwar weniger Arbeitsplätze bei der Stadt, aber mehr in der freien Wirtschaft."

Die Schuld für die Neuverschuldung sieht Gansel allerdings nicht nur in den "Begehrlichkeiten" von Ratsversammlung und lästigen Arbeitnehmern, die immer wieder so dreist sind, Tariferhöhungen durchzusetzen. Von den 47 Mio. DM Netto-Neuverschuldung (Brutto-Neuverschuldung abzüglich der Schuldenaufnahme zur Bedienung bereits vorhandener Kredite) gingen 41 Mio. auf das Konto der Steuerreform und des kommunalen Finanzausgleichs (rund 10 Mio. weniger als 2000). Aber auch gegen solche "äußeren Faktoren" sieht Gansel nur ein Mittel: "Orientieren am Machbaren: Erst unsere Hausaufgaben machen, dann uns den Visionen widmen." Vor lauter "Hausaufgaben" beim Kaputtsparen sind Gansel die Visionen allerdings längst abhanden gekommen. (jm)

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