Aus dem Kieler Rat

Rückendeckung für Gansels Haushalt

Dass der SPD-Fraktionsvorsitzende Cai-Uwe Lindner in seiner Haushaltsrede Gansels Sparkurs befürworten würde, war klar. "Vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung haben wir viele Wünsche zurückgestellt und werden dies wohl noch für einige Jahre tun müssen. Wir haben die restriktive Haushaltspolitik des Kämmerers nicht nur akzeptiert, sondern wir unterstützen ihn ausdrücklich dabei", beruhigte Lindner den OB, der im KN-Interview mit markigen Worten seine Enttäuschung über seine Mehrheitsbeschaffer geäußert hatte. Der gärende Streit in der SPD-Fraktion über die Besetzung des Aufsichtsrats der Stadtwerke (vgl. Artikel in dieser LinX) überschattete auch die Haushaltsberatungen. Und so sandte der Fraktionsvorsitzende auch deutliche Worte an seine abtrünnigen Fraktionskollegen: "Fallstricke liegen auch immer einige aus, und ich sage das auch mit der nötigen Selbstkritik für mich und meine Fraktion - v.a. auch mit dem Blick auf die Aufgeregtheiten der vergangenen Tage. Wir dürfen selbst keine Fallstricke auslegen, auch nicht unabsichtlich. Denn am Ende besteht die Gefahr, dass wir uns selbst darin verheddern und ins Wanken geraten. Die Ereignisse der letzten Tage sind der SPD eine Warnung." Gleichzeitig sandte Lindner dem linken Fraktionsflügel die deutliche Botschaft, dass wenigstens er an Gansels Kurs um jeden Preis festhalten werde: "Ausgaben für neue Aufgaben und Investitionen werden erst geleistet, wenn deren zwingende Notwendigkeit nachgewiesen wird. Geschenke kann niemand erwarten, denn zu dem eingeschlagenen Kurs der Haushaltskonsolidierung gibt es keine Alternative." Ein weiterer Kotau vor dem OB. Auch in der weiteren Rede hielt sich Lindner - sogar vom Aufbau her - streng an dessen Vorgaben. Mit Sorge betrachte auch er die steigenden Personalkosten. Ferner dankte Lindner der zukünftigen möglichen Koalitionspartnerin SUK, die wie in den letzten zwei Jahren den Haushalt gemeinsam mit der SPD und gegen die Stimmen von CDU und Grünen durchbrachte.

Die SUK, geübt in Opportunismus, biederte sich an den OB an: "Der Kämmerer leistet Sisyphosarbeit bei der Haushaltskonsolidierung", denn er bekomme "ständig rot-grünen Gegenwind aus Berlin und Kiel". Doch auch der SPD-Fraktion will sich der SUK-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kottek andienen. Deswegen kritisierte er am Haushaltsentwurf nicht nur das Steigen der konsumtiven gegenüber den investiven Ausgaben, sondern auch die schlechte Informationspolitik der Verwaltung gegenüber der Ratsversammlung: "Unwichtige Sachen werden sofort erledigt; wichtige Sachen wie die Information der Selbstverwaltung werden nie gemacht." Im Sozialetat habe die SUK manche Kürzung des Kämmerers gemeinsam mit der SPD zurückgenommen, "um soziale Schieflagen zu vermeiden und um unserer Anerkennung für die Arbeit einiger Institutionen Ausdruck zu verleihen". Bei der Abstimmung des Sozialetats tat die SUK später kund, was mit "einiger" gemeint war. Bei den Kürzungsorgien der CDU gegenüber Institutionen wie der Arbeitsloseninitiative oder Donna Klara (psychosoziale Betreuung lesbischer Frauen) stimmte sie mit den Schwarzen vergeblich gegen SPD und Grüne. Kottek sparte auch nicht mit Polemik gegen den "Fiskalsozialismus" der Grünen und versuchte, dem angeschlagenen SPD-Fraktionsvorsitzenden Lindner gegen den "linken" Flügel der Fraktion den Rücken zu stärken: "Es ist nun mehr denn je Ihre Aufgabe (...), aus Ihrer Schar von mehr oder weniger begabten Solisten ein brauchbares Orchester zu machen." Zum Schluss seiner Rede überreichte Kottek dem OB einen Schirm. Eine deutliche Geste, wo der OB gegen die Abtrünnigen in der SPD-Fraktion demnächst seine Mehrheitsstimmen suchen soll: "Dieser Schirm der Stadt-Union bedeutet viel - Sie wissen schon. Er beschützt sie unverdrossen vor manch' sturem Zeit-Genossen!"

Auch wenn die Überschrift der Haushaltsrede von Arne Wulff lautete "Das strukturelle Defizit bleibt", so gab auch der CDU-Fraktionsvorsitzende dem OB gegen Teile der SPD-Fraktion Rückendeckung. "Mit der SPD-Ratsfraktion lässt sich eine Politik, wie Norbert Gansel sie will, auf Dauer nicht machen. Zu groß ist die Arroganz der Macht, zu stark die Auffassung, die Stadt gehöre der SPD. (...) Die Besetzung des Aufsichtsrats der Stadtwerke Kiel AG ist ein deutliches Zeichen dafür." (Vgl. dazu Artikel in dieser LinX.) Dennoch kritisierte Wulff, schließlich gehört er der Opposition an, den Haushalt. Er sei nach wie vor strukturell ungesund, der OB saniere den Haushalt "einzig und allein aus dem Verkauf städtischen Eigentums". Die Ursachen der Verschuldung würden nicht bekämpft. Die sieht Wulff in einem zu großen Verwaltungsapparat und zitierte dazu den US-Ökonomen Milton Freedman: "Der einzige Weg, den Staat effizienter zu machen, ist, ihn zu verkleinern."

Die einzigen, die sich weder an den OB, noch die Mehrheitsfraktion oder beide ran schmissen, waren die Grünen. So standen Lutz Oschmanns Forderungen nach einem gesonderten Programm für die Sanierung der Jugend-, Schul-, Sport- und Kindergarteneinrichtungen ("Nicht kürzen bei den Kurzen!"), für mehr Werbemittel für das Frauennachttaxi, zum Ausbau der Velorouten und Fahrradwege und Einstellung der Förderung für den verkehrspolitisch und ökologisch unsinnigen Kieler Flughafen auf verlorenem Posten. Zudem kritisierte Oschmann die eklatanten Demokratiedefizite des OB in der Auseinandersetzung mit den Ortsbeiräten. Denen gegenüber, insbesondere dem Ortsbeirat von Neumühlen/Dietrichsdorf, hatte Gansel in den vergangenen Wochen mehrmals polemisiert. Oschmann zitierte einen bezeichnenden Versprecher Gansels beim KN-Empfang, wo dieser im Zusammenhang mit dem Teilverkauf der Stadtwerke von "Stadtteileverkauf" gesprochen hatte. Verärgert seien die Grünen auch über die Rücktrittsdrohungen des OB bei der Vorstellung seines Haushaltsentwurfs im September (LinX berichtete): "Die Rücktrittsdrohung als taktische Variante der Beeinflussung der Mehrheitsfraktion ist völlig überzogen." (jm)

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