Aus dem Kieler Rat

Stadtwerke bald in der Hand von Atomstromern?

Beim Teilverkauf der Kieler Stadtwerke macht die Verwaltung jetzt Druck. Wirtschaftsdezernent Heinz Rethage bestätigte gegenüber den "Kieler Nachrichten", dass der Verkauf noch vor der Sommerpause 2000 erfolgen könnte. Die Verwaltung hat bereits eine Beratergemeinschaft, bestehend aus Commerzbank und den Unternehmensberaterbüros Oppenhoff & Rädler und Fichtner, beauftragt den Wert der Stadtwerke zu ermitteln und die Rahmenbedingungen für den Verkauf auszuarbeiten. Bei letzteren, so Rethage, gehe es um die Festlegung der Höhe der zu verkaufenden Anteile und um die weitere Finanzierung des ÖPNV.

Die KVAG macht jährlich ca. 30 Mio. DM Verluste, die bislang durch den Querverbund VVK (Versorgung und Verkehr Kiel GmbH) mit den Stadtwerken über deren Gewinne ausgeglichen werden. Bei einem Verkauf von Anteilen der Stadtwerke ist diese Querfinanzierung und damit der ÖPNV in Gefahr. Rethage meinte dazu, die Stadt suche einen Investor, der "nicht nur Geld verdienen, sondern sich in Kiel strategisch positionieren" wolle. Von den 10 bis 15 potentiellen Käufern auf dem europäischen Markt hätten sich bereits einige gemeldet. Wichtiger als die Höhe der Beteiligung, so Rethages Einschätzung, sei für die Interessenten, welchen Einfluss sie auf die Unternehmensführung der Stadtwerke ausüben könnten. Zwar gebe es "noch keinerlei Festlegungen", aber als strategischer Standort könne Kiel v.a. für skandinavische Investoren interessant sein.

Noch kann man nur spekulieren, wer sich die Stadtwerke zumindest teilweise unter den Nagel reißen will. Gerade im Hinblick auf Rethages Anspielung auf Skandinavien wäre es aber denkbar, dass z.B. die schwedische Sydkraft, Betreiberin des AKW Barsebäck, dem die schwedische Regierung gerade einen Reaktor abgeschaltet hat, nach neuen Investitionsfeldern Ausschau hält. Sydkraft ist bereits jetzt eng mit den deutschen Atomstromern PreussenElektra und HEW verbündet. Einmal neu würde sich bestätigen, dass die Welle der Privatisierung von Stadtwerken, die gegenwärtig durch die Republik rollt, gerade die Anbieter von (durch die jahrzehntelange staatliche Subventionierung) billigem Atomstrom auf den Plan ruft. Die Bildung eines örtlichen linken Widerstands gegen den Stadtwerke-Verkauf scheint vor diesem Hintergrund nicht nur aus arbeitsmarktpolitischen und sozialen Gründen dringend geboten. Auch die bestehenden Anti-AKW-Initiativen sollten dabei die Stadtwerke-Privatisierung zu einem Schwerpunkt ihrer Widerstandsarbeit machen.

(jm)