Werften

HDW goes West

Who calls the shots?


Zur Kieler Woche in der Förde: Tarnkappen-Korvette

Der US-Finanzinvestor One Equity Partners (OEP) – Tochter der Chicagoer Bank One – hält jetzt 75 Prozent minus eine Aktie an der HDW Group, mit einer Option auf den Kauf der restlichen noch von Babcock Borsig gehaltenen Anteile. Babcock war finanziell nicht in der Lage, über ihren 50-Prozent-plus-eine-Aktie-Anteil hinaus, die restlichen Preussag und Bayernfinanz Anteile an der HDW zu erwerben. Deutsche Banken zeigten sich zurückhaltend oder als Preisdrücker. Die bei Preussag und Babcock tonangebende Westdeutsche Landesbank (West LB) wird wohl nicht mitgeboten aber mit Regie geführt haben. Ob mit oder ohne den bisherigen Vorstandsvorsitzenden der West LB, Friedel Neubert, den "Roten Baron an der Ruhr"? Die staatlich gewollte Überkreuzbeteiligung der HDW mit der Thyssen-Gruppe konnte so nicht vollzogen werden. (Vgl. LinX 10/01) Aktienbewegungen an der Börse nährten kurz vor dem OEP-Deal Gerüchte über eine bevorstehende feindliche Übernahme der HDW durch Thyssen. OEP hat sich verpflichtet, nach der Optionseinlösung, dem MAN-Handelshaus Ferrostaal und Thyssen-Krupp über drei Jahre ein Vorkaufsrecht von jeweils 15 Prozent, der dann 100 Prozent OEP-Anteile, an HDW zu gewähren. "Who calls the shots" – "Wer hat das Sagen?" Das operative Geschäft der HDW-Group soll weiterhin in deutscher Hand liegen! Künftig – "aus beteiligungsrechtlichen Gründen" – über eine in Düsseldorf angesiedelte "kleine" Holding. (Schelme sahen hier Zusammenhänge mit der in der Nähe liegenden Villa des HDW-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Klaus G. Lederer, dem "Rambo aus dem Ruhrgebiet". Der Autor sieht den Ort mehr nahe dem Zentrum der Drehscheiben von Banken und internationalem Flugverkehr.) Ein Brief des Bundeskartellamts an EU-Kommissar Monti – in dem vor einer verdeckten Beteiligung amerikanischer Rüstungsfirmen und eines transatlantischen Werftenverbundes gewarnt wird – kommentierter ein EU-Beamter: "Wir sind nicht für Visionen zuständig, sondern dafür, dass der Wettbewerb funktioniert."

"Nationalbesorgte"

Im maritimen Militärgeschäft liegt HDW in Europa um Schiffslängen vor anderen EU-Werften. Im Konsortium mit Ferrostaal wurde kürzlich, nach der Zustimmung der EU-Kartellbehörden, die Hellenic Shipyards (HSY) in Skaramanga bei Athen übernommen. Kockums Uboot, gebaut auf ASC-Yard in Melbourne Die schwedische Karlskrona Kockumsvarvet (KKV) gehörte schon der HDW, Beteiligungen an portugiesischen Werften sind im Gespräch. (Vgl. LinX 1/02) Das alles sorgte nicht für Aufregung. Die gab es nach dem US-Coup: Vom Bundeskanzleramt und Verteidigungsministerium in Berlin bis zu den Kneipen Bambule und Haifischbar in Kiel-Gaarden wird über die Frage des möglichen Verlusts deutschen U-Boots-Know-Hows an die Amerikaner lamentiert und diskutiert. Selbst die sonst als Rüstungsexportlobbyisten auftretenden Politiker aus der "Küsten-Mafia" schossen populistisch gegen die Bestrebungen der HDW-Führung, in den amerikanischen Rüstungsmarkt einzudringen. CDU-Landesgruppenchef Dietrich Austermann, Grünen-Militärexpertin Angelika Beer und Kieler SPD-Bundestagsabgeordneter Hans-Peter Bartels sind nur einige der "Nationalbesorgten" im Lande. Das der – neben den "Werner-Büchern" – bekannteste Kieler Exportschlager in die Hände amerikanischer Konzerne gelangen könnte, scheint den – sonst als Unterstützer des "Menschenrechts-Imperialismus" der USA der anderen Nato-Staaten auftretenden – aus CSU bis Grünen ein Graus zu sein. Ungewohnt investorenfeindlich reagieren Politiker aller Couleur auf den HDW-Coup. Parteien und Politiker, die allesamt der seit etwa 25 Jahren herrschenden neoliberalen Politik der Privatisierung, Deregulierung und des Sozialabbaus auf nationaler Ebene zum Durchbruch verhalfen bzw. dagegen keinen Widerstand organisierten, um auch amerikanische Investoren anzulocken. So auch bei der bis Ende der 80-iger Jahre staatlichen HDW: Die Bundesanteile wurden unter der CDU/CSU/FDP-Bundesregierung , die Landesanteile unter der SPD-Landesregierung rechtzeitig privatisiert, bevor HDW zur Goldgrube wurde und heute gar überseeische Interessenten anzieht. (Vgl. LinX 20/00) Das heute in Deutschland bei amerikanischen Investoren im eurodeutschen Rüstungsbereich die Wogen so hoch gehen, hat zwei wesentliche Gründe: Dass die US-Imperialisten einmal (aus mehr schlechten Gründen) Gutes taten, indem sie zur Zerschlagung des Hitlerfaschismus beitrugen, und danach meist antidemokratisch und konterrevolutionär in der Welt agierten. Ersteres wurmt das mehr "rechte" Lager, zweites das mehr "linke" Lager. Falls von Lagern bei den heute fliessenden ideologischen und politischen Übergängen – nicht nur in der Frage der "Volksgesundheit" (Umweltschutz/Ernährung) – in deutschen Landen überhaupt die Rede sein kann.

Torso Babcock – Perle HDW

Schwer verkalkuliert hat sich der Ende letzten Jahres bei Babcock eingestiegene "Raider" Guy Wyser-Pratte: Der hängt nun mit seinem Aktienpäckchen am Babcock-Torso. Der Vietnam-Veteran ("Riecht ihr mein Napalm?") steht sozusagen in kurzer Hose im entlaubten Westerwald und hat mit publizistischer Begleitung den Rechtsweg beschritten.


Strategen: K. Lederer (Babcock/HDW) und F. Neubert (WestLB)

Nach der Halse Richtung USA steht der HDW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Klaus G. Lederer in der bürgerlichen Presse – von Kieler Nachrichten bis Capital – unter schwerem Beschuss. Seit Wochen werden transatlantische Männerbündnisse und Eigeninteressen kolportiert. Klaus Lederer hat seit 1997 den strauchelnden Babcock-Konzern zerlegt und sich im September 2000 vom schlingernde "Flugzeugträger" Babcock auf die schnittige "Korvette" HDW gerettet. Mit Unterstützung der Arbeitnehmervertreter – alles IG Metaller, der Kieler Ortsbevollmächtigte Wolfgang Mädel ist stellvertretender HDW-Aufsichtsratsvorsitzender – die sich flugs gegen den alten Vorstand wendeten: Laut Erklärung vom 28.09.2000 " ... zur Sicherung des Handelsschiffbaus und zur Aufrechterhaltung des Universalwerftkonzeptes ..." Der HDW-Vorstand wurde komplett rausgesetzt. Klaus Lederer leitete nun Konzern und Tochter in Personalunion. Am 14. Juni 2002 verließ er die Brücke des Rumpfkonzerns und steht, mit Blick in neue Horizonte, auf der zukunftsträchtigen HDW-Brücke. Als "eine Perle", die es "gemeinsam" zu "polieren" gelte, beschrieb Klaus Lederer die Kieler Werft gegenüber der Belegschaft am 14. Juni in HDW-aktuell. HDW hat einen milliardenschweren Auftragsbestand, wovon der nichtmilitärische Anteil – eine Mega-Yacht – mittlerweile mehr als marginal ist. Am 24. Mai 2002 haben Vorstand und Betriebsrat der HDW gemeinsam 250 Entlassungen aus dem Handelsschiffbau angekündigt. Von den U-Bootsaufträgen wird maximal ein Viertel in Kiel produktionswirksam, der Rest – über Zulieferungen – auf den Bauwerften der Kunden und zunehmend eigenen Werften wie KKV und HSY.

Der HDW-Vorstand schreitet unverzagt auf den amerikanischen Rüstungsmarkt. Mit dem weltgrößten Hersteller von Kriegschiffen, Northrop Grumman, wird über eine Zusammenarbeit verhandelt. HDW-aktuell: ... "Es geht einfach darum, die Beschäftigung auf der Werft auch für die Zukunft zu sichern. Unsere U-Boote und unsere Tarnkappenkorvette sind einzigartig. Das müssen wir nutzen, bevor uns andere das Geschäft wegnehmen" ... 2001 lag der US-Anteil am 839 Millarden Dollar Rüstungsmarkt bei 36 Prozent, mit steigender Tendenz. Das macht dem Kapital(isten) Appetit.

Verhandlungen mit General Dynamics wurden nicht bestätigt. Von Querverbindungen wurde berichtet: Chef von OEP ist Richard Cashin. Lederer und Cashin sollen u.a. beim Verkauf der Babcock Töchter Flender und Noell Crane Systems zusammengearbeitet haben. An der Mutter von OEP, der Bank One, ist die Investmentgesellschaft Henry Crown & Co beteiligt, die auch Anteile an General Dynamics hält. In den Führungsgremien beider Firmen sitzt ein James Crown. Ein Schelm wer böses dabei denkt und hieraus einen bevorstehenden Einstieg von General Dynamics bei HDW für möglich hält.

Einzelkapitalist versus Ideeller Gesamtkapitalist

... "Die europäischen Rüstungsausgaben für die fünf großen Marinewerften in Europa sind bei weitem nicht ausreichend, um unsere Existenz zu sichern. Wer also heute glaubt, dass er mit dem Finger auf uns zeigen sollte, weil wir uns selbst helfen und neue Märkte erschließen, ist ein Heuchler!" ... so HDW-Chef Klaus Lederer in HDW-aktuell.

Frankreich und Großbritannien betreiben eigenständige maritime Aufrüstungsprogramme. Die BRD bewegt sich bei luftgängigem Kriegsgerät (A400X etc.) in einem finanziellen Desaster. Die Werften wurden im Rahmen der "Out Of Area"-Aufrüstung seit 1990 zwar besser als die Betriebe für bodengängiges Kriegsgerät bedacht, scheinen aber zu befürchten, dass zukünftig aus der Kriegskasse mehr in die Luft geht. HDW wird da auf das begehrte zweite Los über vier U-Boote der neuen Klasse 212 – die ersten vier sind in Kiel und Emden im Bau (Vgl. LinX 4/02) – etwas länger warten müssen.

Im maritimen Rüstungssektor kann sich der euro-deutsche Staat als ideeller Gesamtkapitalist offensichtlich nicht durchsetzen. Die Absichtserklärung vom April letzten Jahres, über einen Werftenverbund durch eine Überkreuzbeteiligung der Schmieden für wassergängiges Mordsgerät, Thyssen Nordseewerken, Blohm & Voss und HDW, hat sich – wie in LinX vorhergesagt – als Papiertiger für den Kriegsminister erwiesen. Nun agieren die HDW-Manager für das Einzelkapital (notgedrungen) auch gegen die Interessen des deutsch-europäischen Gesamtkapitals – und natürlich für sich selbst. HDW-aktuell: ... "Das Taiwan-Geschäft – 8 Boote – wäre für uns sehr attraktiv. Dieses Geschäft sichert 4000 Arbeitsplätze in Kiel und bei unseren Zulieferern für vier Jahre. Ist das nichts? Allerdings können und werden wir ohne die Zustimmung der Bundesregierung hier nichts tun, weil es nur mit ihrer Zustimmung geht! Allerdings kann uns die Politik hier helfen, wenn sie das nur will!" ... Wird sie – nach dem 22. September! Bis zu den Bundestagswahlen wird um jede Stimme gebuhlt – gelegentlich antisemitisch öfters nationalistisch. Danach herrscht wieder mehr die für ("gute") Geschäfte erforderliche Ruhe. Es wird sich ein Weg finden, keine Kollision mit den Rüstungsexportrichtlinien bemerken zu können. Einer wäre via USA: HDW baut die teilausgerüsteten U-Bootskörper-Sektionen für Northorp Grumman. In den USA werden die für Taiwan operational erforderlichen Systeme (Elektronik, Waffen etc.) eingebaut. Die schwedischen U-Bootsbauer könnten ihren diesel-elektrischen und/oder AIP-Antrieb (Stirling Air Independent) liefern. Für Rüstungsgüter gilt in den USA zwar "Buy American", doch Taiwan gegenüber hat sich die USA verpflichtet, U-Boote zu liefern, die amerikanische Werften nicht im Katalog haben. (Vgl. LinX 10/01) Auch nicht die neuen Korvetten aus Kohlefaserverbundstoffen der HDW-geführten schwedischen Werft. Das Begehren der US-Küstenwache hinsichtlich der Tarnkappenschiffe aus Karlskrona soll groß sein. Die erste von fünf Stealth-Korvetten wurde kürzlich an die schwedische Marine übergeben und wird in der Kieler Woche in der Förde aufkreuzen.

Ob eurozentristisch oder transatlantisch verbündet – die weltweiten Um- und Aufrüstungen der (reichen) imperialistischen Staaten führen in den Krieg: Gegen unbotmäßige oder aufmüpfige (arme) Staaten und Bewegungen oder gegen zukünftige Konkurrenten – die VR China zum Beispiel. Wer für eine der beiden imperialistischen Varianten – eurozentristisch oder transatlantisch – setzt, der setzt auf den Weltkrieg. Zum Durchkreuzen der imperialistischen Pläne fehlen heute leider nicht nur die "roten" Kreuzer, sondern vor allem entsprechende Bewegungen und Organisationen. "Who calls the shots?" Das Kapital! Der Imperialismus! Auch bei HDW! Welcher Nation das Kapital zugeordnet wird, ist dabei marginal. "Wer hat das Sagen?" Nach wie vor der Klassenfeind! (W. Jard)

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