Aus dem Kieler Rat

Haushaltssanierung hat Priorität

Rat verabschiedete Haushalt 2000

Zwei Tage brauchte die Ratsversammlung, um den Haushalt 2000 zu verabschieden. Am 10.12., nach insgesamt 12stündigen Beratungen, hatte die SPD, unterstützt vom neuen "Koalitionspartner" SUK, einen Haushalt durchgebracht, der bis auf einige Korrekturen im Sozialetat im wesentlichen dem Entwurf des Kämmerers und OB Norbert Gansel entsprach.

Inhaltliche Schwerpunkte setzen der Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung (die Zielsetzung für die folgenden Haushalte) bei Sanierung und Neubau von Schulen und Sporteinrichtungen. Die Sporthalle in Russee, neuralgischer Punkt bereits in den Haushaltsberatungen 1998, wird nun gebaut, falls es den Russeern gelingt, für die Betriebskosten einen privaten Investor zu finden. In Sachen Opernhaussanierung blieb es dagegen bei der "kleinen" Lösung, 16,5 Mio. DM für eine notdürftige Reparatur statt der von der Opposition geforderten "großen Lösung" in Höhe von 26,8 Mio. DM (LinX berichtete). Auch hier brachten zwei Stimmen aus den Reihen der SUK der SPD die notwendige Mehrheit, denn die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Kohrs-Heimann, stimmte erwartungsgemäß mit der Opposition. Nebenbei einigte man sich in einem interfraktionellen Antrag darauf, eine Umwandlung der städtischen Bühnen in eine Theater GmbH auf den Weg zu bringen. Als Bonbon, um diese bittere Pille leichter zu schlucken, wurde der Etat der Bühnen um 250.000 DM, die von den Bühnen in der letzten Spielzeit erwirtschafteten Mehreinnahmen, auf 16,7 Mio. DM (ohne Personalkosten) erhöht.

Im Sozialen ist die SPD ebenso stolz auf einen erneut gesunkenen Sozialhilfeetat, was als Erfolg der wieder eingeführten Zwangsarbeit für SozialhilfeempfängerInnen gewertet wird, wie auf die Rücknahme der gröbsten Kürzungen des Kämmereientwurfs bei den "freiwilligen Leistungen". Das umstrittene WIBERA-Gutachten zur Evaluation der sozialen Vereine zeigte noch keine Wirkung. Obwohl es von der CDU bei einzelnen Kürzungswünschen bereits argumentativ bemüht wurde, waren sich große Teile der Ratsversammlung einig, dass es aufgrund fachlicher Mängel nicht als politische Handlungsanweisung tauge.

Insgesamt weist der rund 1,3 Mrd. DM umfassende Haushalt, v.a. durch die 250 Mio. DM Einnahmen aus dem KWG-Verkauf, einen Überschuss von 21 Mio. DM aus, der i.w. zur Schuldentilgung verwendet wird. Die Neuverschuldung wurde auf Null gedrückt. Den größten Posten des Verwaltungshaushalts (363,4 Mio. DM = 33,2%, +1,3% gegenüber dem 99er Etat) bilden die Personalausgaben (weitere Zahlen: siehe Tabelle).

Gansel: Sparen statt sozialer Gerechtigkeit

Was OB Norbert Gansel will, fasste er in seinem die Haushaltsberatungen eröffnenden "kommunalpolitischen Bericht" wie folgt zusammen: "1. Haushaltssanierung, 2. Wirtschaftsförderung und Arbeitsplätze, 3. soziale Integration, 4. Bewahrung und Stärkung von Urbanität, 5. Leistungsfähigkeit der Verwaltung. Das sind keine Prioritäten, aber das ist eine Kette von Bedingungen. Nur, wenn wir den Haushalt sanieren, werden wir erfolgreich die Wirtschaft fördern und Arbeitsplätze sichern können. Nur wenn wir die Wirtschaftskraft stärken, werden wir die Mittel für soziale Integration haben. Und soziale Integration - dass die Stadt nicht in Randgruppen zerfällt - ist die Voraussetzung für die Bewahrung von Urbanität, das, was eine Stadt lebenswert macht." Damit hatte Gansel trotz gegenteiliger Behauptung, dass er mit seiner Liste keine Prioritäten der Politik setzen wolle, den schon seit langem aus der SPD-Fraktion schallenden Generalbass der Haushaltsberatungen angestimmt: Vor Politik, vor Investitionen in die Zukunft, vor Nachhaltigkeit und vor sozialer Gerechtigkeit kommen Haushaltssanierung und - wie schon in den letzten Jahren - rigides Sparen um fast jeden Preis.

"Soziale Gerechtigkeit", so Gansel weiter, "ist eine gesellschafts- und staatspolitische Aufgabe. Aber die Stadt selbst kann sie nicht garantieren." Zwar werde es in Kiel "keine soziale Demontage geben, aber wir werden unsere Sozialleistungen effektivieren müssen und Entscheidungen treffen, die sozial ungerecht sein können. Wir müssen Sozialleistungen auf diejenigen konzentrieren, die am meisten Hilfe brauchen, und diese fördern, aber auch fordern." In diesem Bereich sei man neue Wege gegangen, sagte Gansel und nannte dazu "die Wiedereinführung des Angebots gemeinnütziger Arbeit" für SozialhilfeempfängerInnen, sprich die Einführung von Zwangsarbeit.

Die absolute Priorität der Haushaltssanierung begründete Gansel erneut mit der inzwischen zum SPD-Standard gewordenen Formel, die Sanierung der öffentlichen Haushalte sei die eigentliche soziale Politik, weil "die ständig steigende öffentliche Dauerverschuldung die Lasten auf die nächsten Generationen verschiebt und damit eine Flucht aus der Verantwortung ist". Wer heute "Geschenke auf Schulden" mache, verhalte sich "wie ein Großvater, der den Kindern etwas schenkt, was die Enkel bezahlen müssen - eine zutiefst verantwortungslose Politik, eine Sünde meiner politischen Generation."

Fenske: Sport und Schulen statt Kultur

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Fenske begründete in seiner Haushaltsrede den Kurs der SPD, Schwerpunkte bei Neubau und Sanierung von Schulen und Sportstätten zu setzen und dafür die ebenfalls notwendige Opernhaussanierung nur in der "kleinen Lösung" durchzuführen. Zwar sei "ein Haushalt nicht nur gesund, wenn Zahlen stimmen, sondern erst, wenn damit auch die Aufgaben der Stadt erfüllt werden". Aber unter dem gegenwärtigen Schuldendruck müssten "alle Investitionen auf den Prüfstand, und es müssen Schwerpunkte gesetzt werden, alles gleichzeitig oder alles Wünschenswerte geht nicht. Konkret: Die Schulen müssen dringend saniert werden. Gleichzeitig die große Opernhaussanierung zu verlangen, kann sich nur eine Opposition leisten, die ihre Verantwortung beim Betreten des Ratssaales abgelegt hat. (...) Wenn wir das Geld übrig hätten, dann gehört die Differenz zwischen kleiner und großer Lösung in die Schulen und sonst nirgendwo hin." Aus der Finanznot machte Fenske so eine Tugend und spielte Kultur gegen Schulen aus, ganz offensichtlich im Hinblick auf eine Klientelpolitik, die sich mit Schul- und Sportstättensanierung besser schmückt als mit Millionen für die Kultur.

Oberstes Ziel auch bei der SPD-Fraktion: die Haushaltssanierung. Fenske schwebt dazu ein Drei-Punkte-Programm vor: "1. Strukturelle Veränderungen und strikte Aufgabenkritik im Verwaltungshaushalt. 2. Reduzierung der Neuverschuldung und Konzentration der Investitionen im Vermögenshaushalt. 3. Veräußerung von städtischem Vermögen." Bei Punkt 1 genüge einfaches Sparen nicht mehr, da der Verwaltungshaushalt "so weit ausgequetscht" sei, "dass es hier nichts mehr zu gewinnen gibt. Daher helfen künftig keine kosmetischen Operationen mehr sondern nur noch chirurgische Eingriffe." Solche sieht Fenske v.a. in weiterer Deregulierung, Budgetierung von Ämteretats, Privatisierung von städtischen Aufgaben und Personalabbau.

Zur Rückführung der Neuverschuldung verordnet Fenske der Stadt strikte Disziplin und die Bildung von Schwerpunkten bei den Investitionen im Vermögenshaushalt.

Städtisches Vermögen will Fenske dort veräußern, "wo es nicht zwingend für die städtische Entwicklung gebraucht wird". Ferner sei "das Halten von unrentierlichem Vermögen bei dem Schuldenstand und der Zinslast der Stadt Kiel unverantwortlich". Davon müsse man sich trennen, "wie wir es bei der KWG und der Ostseehalle getan haben". Als nächstes Verkaufsobjekt fasste Fenske die Stadtwerke ins Auge. Die Gewinne aus der Verscherbelung des Tafelsilbers dürften allerdings "ausschließlich zur Schuldentilgung herangezogen werden".

Wulff: Zu geringe Investitionen

Gerade im Herunterfahren der rentierlichen Investitionen von 171 Mio. 1997 auf nun nur noch 146 Mio. DM sah der CDU-Fraktionsvorsitzende Arne Wulff eine strukturelle Schwäche der SPD-Finanzpolitik. Die "Gesundheit eines Haushalts" werde nicht allein durch einen ausgeglichenen Verwaltungshaushalt bestimmt, "sondern durch Investitionen, und die sind viel zu gering". Dass im Etat 2000 die Neuverschuldung auf Null gedrückt worden sei, sei ein einmaliger Fall, der dem "Außenereignis KWG-Verkauf" geschuldet sei, "unter dessen Sonne der Haushalt immer noch glänzt". Schon ab 2001 sei wieder mit einer Neuverschuldung von 70,5 Mio. DM zu rechnen. Der Haushalt werde durch Streichung oder Verschiebung der notwendigen Investitionen auf spätere Haushalte geschönt, was die "Bugwelle an Sanierungsbedarf" bei städtischen Gebäuden immer weiter vergrößere.

Nur scheinbar sei der Haushalt der Sanierung näher gekommen, nämlich durch "Nullbrücken". Beispiel: 1999 wurden für Rettungsfahrzeuge 205.000 DM ausgegeben, im Etat 2000 nichts, dafür dann 2001 515.000 DM. Wulffs Kritik an mangelnder öffentlicher Investitionstätigkeit hörte sich stellenweise fast so an wie die Argumentation der SPD einst, als man noch die Stärkung der öffentlichen Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft gefordert hatte. Das Ergebnis werde mittelfristig ein "ärmliches Kiel" sein, das "auch ohne Krieg und Bomben" ein Bild des Verfalls bieten werde.

Oschmann: Mehr Radwege, weniger Flugplätze

Lutz Oschmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen, umriss noch einmal die lange bekannten Forderungen der Grünen: Zivilmilitärische Doppelnutzung von Bundeswehrliegenschaften, die kleine Lösung beim Ausbau des Ostuferhafens mangels "fundierter Begründungen" für die "große Lösung", weniger Kredit für den Flughafen Holtenau, "der regionale Flugverkehr gehört auf die Schiene". Den Ausbau von Radwegen auf Null zu setzen und auf 2003 zu verschieben, sei "nicht akzeptabel".

Im Hinblick auf Zukunftsinvestitionen mahnte Oschmann, die Chancen einer Stadtbahn "nicht leichtfertig zu verspielen". Eine Machbarkeitsstudie liege vor. Investitionen steigerten hier nicht nur die Ausgaben, sondern würden langfristig die Defizite beim ÖPNV senken, da eine Stadtbahn wirtschaftlicher sei als der Busverkehr, der an seine Grenzen gestoßen sei.

In Erstaunen setzten Oschmann und die Grünen die Ratsversammlung mit ihrer verfrühten Forderung, 70% des Erlöses aus einem Teilverkauf der Stadtwerke für ein "Sanierungsprogramm für Schulen und Sportstätten" einzusetzen. Offenbar rechnen die Grünen bereits mit einem Verkauf, obwohl sie, so Oschmann, die Stadtwerke "auch allein, ohne einen Partner, für überlebensfähig" halten. Auch die Begründung klang undurchsichtig: Ein solches Sanierungsprogramm beinhalte auch eine energetische Sanierung, was wiederum den Stadtwerken Aufträge bringe.

Kottek: Anbiederung als zukünftiger Koalitionspartner

Zwar behauptete der SUK-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kottek zu Beginn seiner Rede das Gegenteil, aber dennoch hob er sich in seinen Forderungen nur marginal von denen der SPD ab. Wie schon im letzten Jahr machte sich die SUK zum Support der knappen SPD-Mehrheit. Nur lau und sichtlich zur schwachen Profilierung gegenüber dem großen sozialdemokratischen Bruder dienend also die Kritik - wie bei der CDU - an zu geringen Investitionen und die Mahnung, sich nicht allzu sehr am "Strohfeuer der Haushaltskonsolidierung" durch den KWG-Verkauf zu wärmen. Lang und breit dagegen die Rechtfertigung dafür, dass die beiden SUK-Ratsherren bei der Opernhaussanierung mit der SPD für die "kleine Lösung" stimmen würden. Stattdessen Schüsse gegen die Grünen, die (u.a. durch ihre Ablehnung des Flughafenausbaus) "die Stadt langfristig in einen wirtschaftlichen Großfriedhof überführen wollen", und gegen die CDU, die "aus wahlkampftaktischen Gründen Fundamentalopposition betreibt". Der vorliegende Haushalt sei zwar "nicht perfekt", aber es sei "in jedem Falle besser, einen Haushalt, den man aufgrund der Mehrheitsverhältnisse ohnehin nicht ändern kann, mit zu gestalten, als lediglich Nein zu sagen", so Kotteks abschließender Kotau vor der SPD.

Fazit: Kurzfristige Sanierung statt nachhaltiger Politik

Der Kieler Haushalt 2000 zeigt erneut die Politikunfähigkeit der Mehrheitsfraktion. Unter dem Diktat der Haushaltskonsolidierung als oberstem Ziel bleibt es trotz der üblichen Praxis der SPD, im Kämmereientwurf gestrichene soziale Leistungen wieder hineinzustimmen, bei der sozialen Schieflage. Die weitgehend einhellige Ablehnung des WIBERA-Gutachtens als Grundlage für eine Neuorientierung der städtischen Sozialpolitik kann die Initiativen und Selbsthilfegruppen in diesem Bereich aufatmen lassen. Zu einem Nachlassen des Widerstands bietet das jedoch keinen Anlass. Denn der Wille der SPD und auch der CDU, hier zu kürzen, besteht nach wie vor. Es ist lediglich ein Glücksfall, dass das Gutachten mit derartig offensichtlicher fachlicher Inkompetenz erstellt wurde, dass dies selbst hartgesottenen Kaputtsparern auffällt.

Finanzpolitische Erfolge wie eine auf Null gebrachte Neuverschuldung und ein Überschuss im Verwaltungshaushalt beruhen nicht auf den gerade auch von der SPD geforderten strukturellen Veränderungen in der Finanzpolitik, sondern auf kurzfristigen Ausnahmeerscheinungen wie dem KWG-Verkauf und im Vermögenshaushalt auf willkürlichen Zahlenspielen und Verlagerungen auf spätere Etats. Zwar nimmt die SPD den Abbau des Investitionsstaus bei den Schulen und Sportstätten endlich in Angriff, allerdings auf Kosten etwa des Opernhauses oder fortschrittlicher Verkehrsplanung. Ein Defizit wird somit mit dem anderen bezahlt. Von einer nachhaltigen Finanz- und Investitionspolitik kann nicht die Rede sein. Die SPD setzt ihre eigenen Lippenbekenntnisse von der Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen nicht um, sondern wurschtelt weiter auf ihrem konzeptlosen Kurs des nur Sparens - ohne ein politisches Ziel, das über dessen Kurzsichtigkeit hinausgeht.

Mit der sich mehr und mehr als "stille Koalitionärin" abzeichnenden SUK braucht sich die SPD dabei auch nicht um ihre knappe Mehrheit im Rat zu sorgen. "Abweichlertum" in der eigenen Fraktion kann sie gelassen entgegen sehen. Und der Preis, den die SUK dafür fordert, ist gering: Die Wählergemeinschaft, deren Ratssessel auf opportunistisch vagabundierenden "Proteststimmen" fußen und die im Rat oft genug ihren Dilletantismus unter Beweis gestellt hat, erhält nun als Zünglein an der Waage den Ritterschlag von König Gansel und dessen willigem Vasallen Jürgen Fenske.

(jm)


Der Etat 2000 in Zahlen

(Alle Angaben in Mio. DM, Differenzen gegenüber Etat 1999, VE = Verpflichtungsermächtigung für folgende Haushalte)

Verwaltungshaushalt:
Einnahmen/Ausgaben gesamt: 1.095,9 (-39,0)
Vermögenshaushalt:
Einnahmen/Ausgaben gesamt: 215,9 (-4,1)
Kreditbedarf (Neuverschuldung): 0,0
VE: 46,8
Schlüsselzuweisungen des Landes (kommunaler Finanzausgleich): 204,0
Schuldendienst (Zinsen und Tilgung): 100,0
Schulden (am 31.12.2000, ohne Defizit städt. Betriebe): 745,7
Schulden pro EinwohnerIn: 3.158 DM (-833 DM)
Einzelne Posten:
Personalausgaben: 363,4 (+10,4)
Soziale Leistungen (Sozialhilfe u. freiw. Leistungen): 331,0
Straßenbau: 20,3
Unterhalt von Straßen: 9,8
Bau von Entwässerungsanlagen: 52,4 (+8,9 VE)
Unterhalt/Sanierung von Schulen und Sportstätten: 12,2 (+4,2)
Bau von Sportstätten: 5,2 (+4,5 VE)
Zuschuss KiTas: 47,2
Zuschuss Bühnen: 16,7 (+0,25)
Zuschuss Schwimmhallen: 7,3
Zuschuss VHS: 3,9