LinX-EXTRA zur Welthandelskonferenz in Seattle

Dämpfer für die EU

Entwicklungsländer sagten in Seattle Njet

Ohne Ergebnis sind Anfang Dezember 99 die Handelsminister der Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation WTO auseinander gegangen. Damit erhielten v.a. ehrgeizige Ambitionen der EU einen erheblichen Dämpfer.

Krisenstimmung lag bereits in der Luft, als die Minister sich am 30.11. in Seattle versammelten und 50.000 in den Straßen der nordwestamerikanischen Hafenmetropole gegen das Treffen protestierten. Seit über einem Jahr hatten in Genf Regierungsbeamte die Konferenz vorbereitet - ohne sich einigen zu können.

Dabei ging es noch nicht einmal um den Inhalt von Verträgen, sondern nur um das Zusammenstellen eines Mandats. Das Was, Wie und Wann einer neuen Verhandlungsrunde zur weiteren Liberalisierung des Welthandels sollte in Seattle besiegelt werden.

Daraus wurde nichts. Der tiefe Graben zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern konnte nicht überbrückt werden. Letztere wehrten sich insbesondere gegen die Aufnahme neuer Themen in den Verhandlungskatalog. Unberührt von dem Desaster in Seattle bleiben Verhandlungen über die Liberalisierung des Agrarmarktes und Fragen des Dienstleistungsverkehrs. Sie sind bereits in den WTO-Gründungsverträgen vorgesehen und werden wie vereinbart demnächst beginnen.

Pech v.a. für die EU. Nachdem im Herbst 98 das Multilaterale Abkommen über Investitionsschutz (MAI) in der OECD gescheitert war, setzt sie darauf, entsprechende Regeln innerhalb des WTO-Vertragswerks festzuschreiben. Ein besonderes Anliegen ist es ihr dabei auch, die internationale Ausschreibung öffentlicher Aufträge zwingend zu machen. EU-Agrarkommissar Franz Fischler ließ allerdings durchblicken, dass man in den Agrarverhandlungen mauern werde, solange die neue Runde nicht zu Stande kommt. An die in den bisherigen Verhandlungen gemachten Zugeständnisse fühle man sich nicht mehr gebunden, denn es bleibe dabei, dass nichts vereinbart ist, solange nicht ein umfassendes Paket geschnürt ist.

Der Eklat in Seattle wurde v.a. durch einen Mangel an Transparenz und Mitspracherechten für Entwicklungsländer verursacht. Wie bereits in der Uruguay-Runde, die der WTO-Gründung vorausgegangen war, fanden auch in Seattle die wichtigsten Verhandlungen in kleinen Gruppen hinter verschlossener Tür statt. Die ärmeren Länder, die sich meist nur kleine Delegationen leisten konnten, hatten Schwierigkeiten, überhaupt auf dem Laufenden zu bleiben, und fanden sich oft ausgeschlossen. Zu Gesprächen über das Abkommen für den Schutz intelektuellen Eigentums (TRIPS) war z.B. kein einziges afrikanisches Land eingeladen worden. Das traf bei diesen auf besondere Empörung, da sie gemeinsam detailierte Änderungsvorschläge für das TRIPS vorgelegt haben, die dafür sorgen sollen, dass künftig Patente auf Lebensformen nicht mehr möglich sind. Als eine Konsequenz aus dem Debakel erhielt WTO-Generalsekretär Mike Moore den Auftrag, mit den Mitgliedsländern über eine Reform der WTO-Strukturen zu beraten, bevor neue Gespräche über eine Millenium-Runde aufgenommen werden.

Die Verhandlungsführung Washingtons und Brüssels hatte erheblichen Anteil am Scheitern. Wahrscheinlich hatte man in den Hauptstädten der westlichen Welt gehofft, dass sich der Süden auch weiter entmündigen lassen würde. Während auf die Forderung der Entwicklungsländer kaum ernsthaft eingegangen wurde, schien es sowohl US-Präsident Clinton als auch der EU-Kommission das wichtigste Anliegen zu sein, für die Aufnahme von Sozial-Klauseln in den Verhandlungskatalog zu werben. EU-Handelskommissar Pascal Lamy erklärte sie im Vorfeld der Konferenz sogar zu einem möglichen Stolperstein. Offenbar ist man beiderseits des Atlantiks bemüht, aufkeimenden Unmut der Gewerkschaften über die nachteiligen Auswirkungen der Globalisierung für Arbeiter aufzufangen und zu instrumentalisieren.

Wenn also ab Januar 2000 in Genf über die Liberalisierung des Agrarmarktes und des Dienstleistungssektors gestritten wird, werden sicherlich harte Bandagen angelegt werden. Zumal die EU nicht daran denkt, auf ihre Exportsubventionen zu verzichten. Bestenfalls zu einer Senkung hat sie sich bereit erklärt. Die Entwicklungsländer verlangen hingegen, dass der Agrarmarkt in die normalen WTO-Regularien einbezogen wird, was einen Abbau der Handelshemmnisse und Subventionen bedeuten würde.